Einwendungs- und Widerspruchsverfahren
Auf dieser Seite befinden sich Informationen zu (prüfungs-)rechtlichen Einwendungs- und Widerspruchsverfahren in Ergänzung zu den allgemeinen Ausführungen in den Erläuterungen zu den "Rahmenprüfungsordnungen".
Bei Fragen und Anregungen steht Herr Bastian Simon (Justitiar, Dez. Studium und Lehre) gern zur Verfügung.
I. Eingangsüberlegungen
Wenn gegenüber einer Person eine Entscheidung von einer Behörde getroffen wird (z. B. im Prüfungsrecht: Prüfungsbewertung, Anerkennung, etc.) und diese Person die Entscheidung für falsch hält, bestehen verschiedene Rechtsschutzmöglichkeiten:
- Remonstrationsverfahren / Gegenvorstellung im Prüfungsrecht
- Widerspruchsverfahren
- Klageverfahren
Darüber hinaus kann die Situation eintreten, dass eine Person eine konkrete Entscheidung wünscht, diese aber bisher nicht erhalten hat oder der Antrag abgelehnt wurde.
Wenn sich diese Person dann bei einer zuständigen Behörde oder bei Gericht meldet und die Situation beschreibt, ist immer zu fragen, was sie oder er möchte („Begehren der Person“)
Man unterscheidet grundsätzlich zwischen einem
- Anfechtungs- und einem
- Verpflichtungsbegehren.
Merkmal Anfechtungsbegehren: Eine Entscheidung soll aufgehoben werden.
Merkmal Verpflichtungsbegehren: Eine bestimmte Entscheidung wird gewünscht.
Es sind auch Kombinationen aus Anfechtungs- und Verpflichtungsbegehren denkbar. Eine Entscheidung wird angefochten und zugleich wird eine andere begehrt. Ausgehend von diesen Situationen wird der Prüfungsmaßstab für die Behörde oder das Gericht festgelegt.
Prüfungsmaßstab Anfechtungssituation (in Anlehnung an den Wortlaut von § 113 Abs. 1 VwGO): Es wird geprüft, ob die Entscheidung rechtswidrig ist. Ist dies der Fall und wird die Adressatin / der Adressat der Entscheidung dadurch in ihren / seinen Rechten verletzt (regelmäßig gegeben), wird die Entscheidung aufgehoben.
Prüfungsmaßstab Verpflichtungssituation (in Anlehnung an den Wortlaut von § 113 Abs. 5 VwGO): Es wird geprüft, ob die Person einen Anspruch darauf hat, dass die begehrte Entscheidung getroffen wird.
II. Prüfungsrechtliche Einwendungen
Grundsätzlich besteht nur dann eine förmliche Rechtsschutzmöglichkeit, wenn es sich bei der Entscheidung um einen Verwaltungsakt handelt. Wann ein Verwaltungsakt vorliegt, muss im Einzelfall geprüft werden, gesonderte Formanforderungen an einen Verwaltungsakt bestehen grundsätzlich nicht, auch mündliche Verwaltungsakte sind möglich.
Wenden sich Studierende gegen Entscheidungen oder sonstige Maßnahmen im Prüfungsverfahren angefangen von der Prüferbestellung bis zur Bekanntgabe der Bewertung oder gegen Aspekte des Anerkennungsverfahrens von Leistungen geht die Rechtsschutzmöglichkeit weiter. Es ist irrelevant, ob es sich bei der Entscheidung um einen förmlichen Verwaltungsakt handelt oder nicht. Ein entsprechendes Verfahren in dem die Einwendungen überprüft werden, ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes immer durchzuführen, um der Rechtsschutzgarantie des Grundgesetzes gerecht zu werden. Durch die parallele Ausgestaltung der beiden Verfahrensarten in den Prüfungsordnungen der Universität Bielefeld wird erst bei der Bekanntgabe der Entscheidung differenziert, ob es sich um einen förmlichen Widerspruch oder um ein nicht-förmliches Einwendungsverfahren handelt. Der einzige Unterschied ist, dass nur gegen Verwaltungsakte und somit nach dem Erlass eines förmlichen Widerspruchsbescheides die Möglichkeit besteht, Klage vor dem Verwaltungsgericht zu erheben.
Bei jeder förmlichen Rechtsschutzmöglichkeit besteht für Studierende zudem die Möglichkeit, direkt Klage zu erheben, wenn ihre schriftlichen Einwendungen nicht bearbeitet werden oder das Verfahren zu lange dauert (mehr als drei Monate ohne dass ein zureichender Grund vorliegt).
Exkurs: Nach jeder Bewertung einer Leistung oder auch nach jedem Anerkennungsverfahren haben Studierende Anspruch auf Einsicht in alle maßgeblichen Unterlagen, die mit dem Verfahren verbunden sind. In den Bachelor- und Masterstudiengängen wird die Empfehlung ausgesprochen, Studien- und Prüfungsleistungen zurückzugeben, denn hiermit erlischt das Recht auf Einsichtnahme. Studierenden ist die Möglichkeit zu geben, sich fundiert mit dem Verfahren einschließlich der Beurteilung – auch unter Rückgriff auf Fachliteratur – auseinanderzusetzen. Ist dies im Rahmen der Einsichtnahme nicht möglich, besteht ein Anspruch darauf, entsprechende Kopien anzufertigen. Eine fundierte Auseinandersetzung mit dem gesamten Verfahren ist für Studierende notwendig, da sie nur so erfolgreich ihre Rechtsschutzmöglichkeiten wahrnehmen können:
Vorgehensweise bei Einwendungen gegen Entscheidungen oder sonstigen Maßnahmen im Prüfungsrecht:
- Studierende legen dezidiert dar, warum sie mit einer Entscheidung oder sonstigen Maßnahme im Prüfungsrecht nicht einverstanden sind. Aufgrund der Rückgabe der Arbeiten oder im Rahmen der Einsichtnahme ist es ihnen möglich, sich mit den Beweggründen der Prüferinnen und Prüfer auseinanderzusetzen und hierzu Stellung zu nehmen.
- Die Einwendungen gehen an einen hierfür gewählten Ausschuss. Die Zusammensetzung ist in BPO und MPO oder in den jeweiligen Prüfungsordnungen geregelt.
- Sofern die Einwendungen nicht offensichtlich unzulässig sind (z.B. Widerspruchsfrist nicht eingehalten) wird der Ausschuss (in diesem Fall i.d.R. vertreten durch die Vorsitzende oder den Vorsitzenden) den Prüfenden die Einwendungen mit der Bitte zukommen lassen, zu den Einwendungen schriftlich Stellung zu nehmen. Die oder der Prüfende ist verpflichtet, sich dezidiert mit den Einwendungen auseinander zu setzen und eine schriftliche Stellungnahme zu verfassen. Die schriftliche Stellungnahme wird dem Ausschuss vorgelegt.
- Der Ausschuss prüft in einer Sitzung, ob das Verfahren zur Erbringung oder Anerkennung der Leistung und deren Beurteilung ordnungsgemäß abgelaufen ist und setzt sich mit den Einwendungen und der oder den Stellungnahmen auseinander. Überprüft wird auch, ob die getroffene Entscheidung nachvollziehbar und ausführlich genug begründet worden ist. Wenden Studierende ein, dass die Prüfenden befangen waren, muss auch dem nachgegangen werden. Der Ausschuss kann
- sich inhaltlich den Wertungen der oder des Prüfenden anschließen, in gut begründeten Fällen aber auch davon abzuweichen;
- ggfs. die Meinung einer weiteren prüfungsberechtigten Person einholen, um sich selbst beraten zu lassen;
- die oder den jeweiligen Prüfende(n) auffordern, die Bewertung zu überdenken oder ausführlicher zu begründen.
- War die oder der Prüfende wirklich befangen oder hätte nicht prüfen dürfen, ist eine neue, vollständige Bewertung durch eine andere Person geboten.
- Als Ergebnis kann den Einwendungen vollumfänglich "stattgegeben" werden, d.h. die Ausgangsentscheidung wird geändert. Eine teilweise oder keine Änderung der Ausgangsentscheidung ist natürlich auch möglich. Das gesamte Verfahren darf im Ergebnis nicht dazu führen, dass die ursprüngliche Bewertung verschlechtert wird („Verschlechterungsverbot“). Wichtig ist, dass der Ausschuss selbst nach eigener Willensbildung eine abschließende Entscheidung trifft, d.h. auch nicht im Umlaufverfahren.
- Am Ende des Verfahrens wird die Entscheidung der oder dem Studierenden mitgeteilt. Wird den Einwendungen der oder des Studierenden nicht gefolgt, muss die Entscheidung vollumfänglich begründet werden. Hierbei ist wichtig, dass zu allen einzelnen Einwendungen der oder des Studierenden Stellung genommen und dargelegt wird, warum diesen nicht gefolgt wird. Bei einem förmlichen Widerspruchsverfahren erfolgen diese Mitteilungen in Form eines Wider-spruchsbescheides, der zuzustellen und mit einer Rechtsbehelfsbelehrung zu versehen ist.
- Das gesamte Verfahren sollte so organisiert werden, dass es nach Eingang der Einwendungen in drei Monaten – dies gilt auch für die vorlesungsfreie Zeit - abgeschlossen werden kann.
- Zur Klärung der Rechtsfragen, die immer mit einem Einwendungsverfahren verbunden sind, sollte das Justitiariat (Dez. SL) frühzeitig in das Verfahren eingebunden werden, zumindest aber im Zusammenhang mit der Entscheidungsmitteilung / dem Erstellen des Widerspruchsbescheides.