Gkl:kommentar:kap26a

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Das Siben vnd zwainzigst Capitul

(Gargantua, Kap. 23)

(1) Da Ponokrates den ungesunden Lebenswandel seines Zöglings Gargantua erkennt, beschließt er, ihm die Wissenschaften mit völlig neuen Lehrmethoden nahezubringen. Er holt den Arzt Meister Theodor herbei, der dem Schüler Nieswurz verabreicht, wodurch dieser alles vergisst, was er an unnützem Wissen zuvor erlangt hat. Er führt ihn in die Gesellschaft gelehrter Gefährten ein, damit er durch den Wettbewerb umso größeres Verlangen entwickelt, seinen Geist zu üben. Er bekommt einen Stundenplan, damit er keine Stunde des Tages mit unnützer Tätigkeit vergeudet. Um vier Uhr steht Gargantua auf und wäscht sich; währenddessen liest ihm sein Page Anagnostes laut und deutlich Stellen aus der Bibel vor. Daran schließt sich eine Sitzung auf dem Privet an, um sich der Reste der verdauten Produkte zu entledigen; dabei wiederholt sein Lehrer, was vorgelesen wurde und erklärt ihm die schwierigen Stellen. Dann wird der Himmel beobachtet und festgehalten, in welches Sternzeichen die Sonne und der Mond eintreten. (2) Beim Ankleiden und Kämmen wiederholt man die Lektüren des vorigen Tages, d.h. Gargantua sagt die Lektionen auswendig auf und sucht Beispiele für ihre Anwendung hervor. Der Vormittagsunterricht von drei Stunden ist der Lektüre gewidmet. Dann wird draußen auf den Wiesen Sport getrieben, darunter verschiedene Ballspiele, die man erst dann beendet, wenn man völlig durchgeschwitz ist. Nach dem Trocknen und Umkleiden wartet man gemeinsam auf den Mittagstisch und rezitiert unterdessen Lehrsprüche, die man aus dem Unterricht behalten hat. Beim Essen wird aus alten Geschichten vorgelesen, beim Wein die Lektüre fortgesetzt. (3) Oder man spricht über alles, was bei Tisch seviert wurde. Auf diese Weise lernt Gargantua alle einschlägigen Stellen aus den naturkundlichen Werken des Plinius und anderer Gelehrter kennen. Die zurate gezogenen Bücher werden mitunter an den Tisch gebracht, um darin nachzuschlagen. Es folgt das Gespräch über die Lektionen des Vormittags, dann dankt man Gott mit schönen Lobgesängen und widmet sich dem Kartenspiel, um damit Kunststücke und Rechenexempel zu einzuüben. Die Beschäftigung mit der Arithmetik in der freien Zeit vor dem Nachmittagsunterricht bereitet dem Schüler soviel Vergnügen wie früher das Würfel- und Kartenspiel. Aber auch die anderen mathematischen Künste reizen dazu, geometrische Instrumente und Figuren zu entwerfen oder astronomische Berechnungen anzustellen. (4) Dann musiziert man, singt mehrstimmig (5) und erlernt verschiedene Instrumente. Nach erneuter Darmentlehrung folgen drei Stunden zur Wiederholung der vormittäglichen Lektüre und der Übung im Schönschreiben. (6) Dann wird das Quartier in Begleitung des Reitmeisters Gymnastes verlassen, um die Reitkunst und Kampftechniken zu üben. An dem einen Tag übt er Reiterkunststücke, an anderen die Waffenkünste. (7) Oder er geht auf die Jagd. Oder er übt sich in den olympischen Disziplinen des Fünfkampfs, des Wettlaufs und Schwimmens. Oder er steuert ein Boot, setzt Segel und verwendet den Kompass. (8) Wieder an Land übt er das Klettern auf Bäumen und Felsen (9) und am Seil nach oben oder an den Balken sich entlang hangelnd. Seine Lunge trainiert er mit Schreien, die Muskeln mit Bleigewichten. Wie der Athlet Milon weicht er beim Ringen nicht von der Stelle. (10) Auf dem Heimweg von seinen Übungen sucht er die Wiesen nach Kräutern ab, die er in den naturkundlichen Büchern kennengelernt hat. Unterstützt wird er dabei vom Pagen Rhizotomos, der die Kräuter für ihn ausgräbt und erntet. Vor dem Abendessen wird die Lektüre erneut wiederholt, beim Mahl die Vorlesungen alter Geschichten vom Mittag fortgesetzt. Die Zeit bis zum Schlafengehen wird dem anspruchsloseren Vergnügen gewidmet, also Karten- und Würfelspiel und dem Wein. (11)Um Mitternacht besteigt man den Turm, um den Himmel mit seinen Kometen und den Lauf der Planeten zu beobachten. Vor dem Schlafengehen wiederholt Gargantua mit seinem Lehrer alles, was er am Tag gelesen und erlebt hat, preist Gott den Schöpfer und begibt sich zur Bettruhe.

    • Lit.: Jean Larmat: Le Moyen Age dans le Gargantua de Rabelais. Nice: Les belles lettres 1973, S. 311-344 (Les idees pedagogiques); Desiderius Erasmus: Institutio principis Christiani/ Erasmus von Rotterdam. Einf., Übers. und Bearb. von Anton J. Gail. Paderborn: Schönigh 1968; Gerold Schoch: Die Bedeutung der Erziehung und Bildung aus der Sicht des Erasmus von Rotterdam. Diss. Zürich 1988; Die lateinischen Schülergespräche der Humanisten. Auszüge mit Einleitungen. Anm. u. Namen- und Sachregister. Quellen für die Schul- und Universitätsgeschichte des 15. und 16. Jahrhunderts. Von A. Bömer. Nachdruck der Ausg. Berlin 1897-1899. Amsterdam: Schippers 1966; Rita Guerlac: Vives and the Education of Gargantua. In: Études Rabelaisiennes XI (1974), S. 63-72; Susanne Zeller: Juan Luis Vives (1492-1540). Freiburg, Br. 2006; Vincent J. Horkan: Educational Theories and principles of Maffeo Vegio. Washington, D.C. 1953; Gregor Müller: Mensch und Bildung im italienischen Renaissance-Humanismus: Vittorino da Feltre u. d. humanist. Erziehungsdenker. Baden-Baden: Koerner 1984; Eckhard Kessler: Die Pädagogik der italienischen Humanisten im Kontext des späten Mittelalters. In: Lebenslehren und Weltentwürfe im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit: Politik, Bildung, Naturkunde, Theologie. Göttingen: Vandenhoeck 1989, S. 160-180; Jürgen Gidion: „Über die Verbesserung der Studien der Jugend“. Bildungsreform im 16. Jahrhundert – ein Lehrstück? In: Neue Sammlung. Vierteljahres-Zeitschrift für Erziehung und Gesellschaft 37 (1997), S. 531-546. (zu Philipp Melanchthon, Erziehungs- und Bildungswesen).

Zum Thema humanistische Erziehung: Erasmus: De ratione studii (1512); Erasmus: De pueris statim ac liberaliter instituendis (1529); Vivès: De tradendis disciplinis (1531) (von dieser Abhandlung ließ sich Rabelais besonders inspirieren; s. Guerlac 1974). Über mögliche Einflüsse der Italiener Maffeo Vegio, Guarino de Vérone, und besonders Vittorino de Feltre (Mannigfaltigkeit der Übungen, Abwechslung von Übungen des Verstandes, der Künste und der Körperertüchtigung), dargestellt bei Larmat 1973.

  • 3 mit solcher zuchtlehrung vnd lehrzucht/ en telle discipline ] Zuchtlehrung, f. (DWB 32, 273, nur diese Stelle, ohne Deutung); Lehrzucht (nicht im DWB). Vgl. Zuchtlehre, f., 'Sittenlehre, Ethik' und Zuchtlehrer, m. 'ethicus'.
  • 6 vergebens hinricht/ perdoit ] hinrichten, v. 'hinwärts richten' (DWB 10, 1465: hinrichten 1), hier eher 'verbringen, vertun'.

Absatz 1

  • 8 vndietlichait ] Undiätlichkeit, f., Neologismus Fischarts, 'nicht zur Diätetik passende Lebensweise'.

S1v

  • 12 litt vnd vbersah es jm/ le tolera ] jdm. etw. übersehen, v. 'nachsehen; ignoscere' (DWB 23, 541: übersehen 4 e β); eher 'hingehen lassen, tolerieren'. Ein allgemeines Prinzip, die natura, bestimmt Verhalten und Reaktionen des Menschen. Fischart übersetzt „tolera“ / „toleriert“, als ‚übersehen‘, das die moderne Bedeutung von Toleranz nicht ganz trifft.
  • 12-14 inn betrachtung/ das die Natur ploͤtzliche aͤnderungen on verdrüßliche grose gewaltsame nicht wol vberstehet/ considerant que nature n'endure mutations soudaines sans grande violence ] Hippokrates: Aphorismen, Sectio 2, Nr. 51 (Defaux 236,2): "Den Körper übermäßig oder plötzlich auszuleeren oder anzufüllen, zu erwärmen oder abzukühlen, oder auf andere Weise viel und heftig in Bewegung zu setzen, ist gefährlich. Alles, was zu heftig ist, ist der Natur zuwider. Sicher ist hingegen, was in kleinen Schritten vollzogen wird, insbesondere, wenn man von dem einen Zustand zu einem anderen gelangen will." - Nach Plattard, S. 85 (u. Lefranc II,23,3) liegt hier der erste (recte: 55ste!) Grundsatz des Regimen Salernitanum zugrunde. In der Ausgabe des Regimen von 1557 mit hinzugesetzten deutschen Merkversen finden sich die Verse unter Nr. LV (Bl. 164 v): "Omnibus adsuetam iubeo seruare diaetam. | Quod sic esse probo, ni sit mutare necesse. | Hippocrates testis, quoniam sequitur mala pestis. | Fortior haec meta est medicinae, certa diaeta, | Quam si non cures, fatuè regis, & malè curas. | Was speiß vnd wie du essen pflegst/ | Verander nicht/ vnd wiß darnechst/ | Daß die veranderung kranckheit brengt/ | Doch wirt der not offt nachgehengt." Mit der Marginalie in der Auslegung der Verse: "Mutatio subita nocet" ("Plötzliche Veränderung schadet"; Bl. 165v). Zum Regimen sanitatis Salernitanum vgl. Nikolaus Henkel: Deutsche Übersetzungen lateinischer Schultexte. München 1988, 292 ff.: Henkel zählt 28 Drucke bis 1519 meist zweisprachiger Drucke.
  • 14 gewaltsame/ violence ] f. 'violentia', 'Ungestüm, Gewaltsamkeit'.
  • 15 aushart/ endure ] aushalten, v. etw. 'aushalten', 'ertragen'.
  • 16 bat er ain Weisen Arzet derselbigen zeit/ supplia un savant medicin de celuy temps ] Rabelais unterstreicht in vielen Wendungen die Perspektive der Jetztzeit, wenn er den Mediziner Theodore als „un sçavant medicin de celluy temps“ bezeichnet. Zuvor erscheint bereits der besser als Gargantua ausgebildete Page Eudemon als junge Mann von heute; wenn der Erzähler Ponocrates und Gargantua nach Paris führt, so aus dem Grund, dass sie den zeitgenössischen Erkenntnisstand erfahren („pour cognoistre quel estoit l’estude des jouvenceaulx de France pour icelluy temps“, p. 64). Damit unterstreicht der Erzähler wiederum einen aktuellen historischen Stand des Wissens und des Lebens.
  • 19-23 doch nicht glückhafter als der Baur/ welcher ain hailige allgemainhilfliche purgaz seinen verlorenen Esel zufinden einnam/ vnd den als er sich zupflitteren beim zaun nidersetzet/ durch die hurst ersah ] Der kurze Schwank von einem Bauern, der sich purgiert, um seinen Esel zu finden, ihn dann zufällig bzw. in alltäglich-banaler Situation sieht, ist eine Erweiterung, die Fischart z.B. aus Poggio Bracciolinis (1380-1459) Facezien übernimmt In der Facetie 87 „De temerario qui asinos curabat“ („Von einem Kurpfuscher, der Esel wiederverschaffte“) verkauft ein Kurpfuscher Pillen, die gegen alles helfen. Ein Dummer fragt, ob er nicht ein Mittel habe, mit dem er seinen verlorenen Esel wiederfinden könne. Nach Einnahme des (purgierenden) Mittels setzt er sich nieder, um sich zu entleeren, und sieht im Röhricht zufällig seinen Esel. In den Cent nouvelles nouvelles 79 ist die Erzählung in „L’Asne retrouvé“ aufgenommen. Viel klüger als der Eselsucher ist auch Theodore nicht. Die erzählte Pointe perspektiviert mit Hilfe der Erzählung – ähnlich verfährt Michel de Montaigne in den Essais in der Relativierung von Wissen durch multiperspektivisches Erzählen – die Methode des Purgierens, indem sie die Ebene der Alltagserfahrung mit dem medizinischen Wissenshorizont konfrontiert. Ironisch stellt sich eine allgemeine, überaus banale Ausgangsposition für das Lernen wieder her.
  • 22 zupflitteren ] pflüttern, v. 'scheißen'.
  • 23 hurst ] f., 'Strauchwerk, Gebüsch'.
  • 24-28 rüstet jm ain Teufelsbannige ... purgaz von ... Niswurz zu ... vnd rainigt jm damit alle verruckung/ ... vnnd verkerte habitud ... des hirnes/ le purgea canoniquement avec Elebore de Anticyre, et par ce medicament luy nettoya toute l'alteration et perverse habitude du cerveau ] Die Gabe von Nieswurz (Helleborus) als Heilmittel gegen Verrücktheit war in der antiken Literatur breit thematisiert. Vgl. Sueton: Caligula 29; Plinius: nat. hist. XIX,44 u. XXV, (52) 21,4, XXII, (133), 25, ante med. sect. 64; Gellius XVII,15,6 (Angaben nach Fritz Weiss zu Gellius). Vgl. auch die heilpflanzenkundlichen Bücher (Kräuterbücher) der Zeit, etwa Bock: Kreutterbuch (1572), Bl. 132r: „Plinius schreibt von beden Nießwurtzeln libro xxv. capite v. vnd seind die selbige wort Plinij vast auß Theophrasto libro ix. capite xj. genommen“. Montaigne betrachtet im dritten Buch der Essais von 1588 in Des Boyteux / Von den Hinkenden (XI 1079) einen angeblichen Beleg für Hexerei skeptisch und will der alten Frau vielmehr Helleborus als den Schierlingsbecher verabreichen, d.h. Montaigne wendet sich gegen die juristische Praxis seiner Zeit und gegen den Feuertod. Zum zeitgenössischen Stand des botanischen Wissens zu Helleborum/Nieswurz und speziell zu dieser Stelle s. Bulang (2010b).
  • 24 rüstet ... zu ] zurüsten, v. 'eine Speise zurichten, kochen', 'vorbereiten'.
  • 25 von Anticirischem Helleborischen Niswurz/ Elebore de Anticyre ] anticirisch, adj. von gr. αντικυρικὸς, in oder aus Anticyra stammend; die Halbinsel im Ägäischen Meer war berühmt für ihren Reichtum an Nieswurz. Vgl. Horaz: sat. II,3, 79 ff.: "quisquis luxuria ... aut alio mentis morbo calet ... danda est ellebori multo pars maxima avaris: nescio an Anticyram ratio illis destinet omnem" ("Wer da fiebert vor Schwelgen ... und vor sonst einer Krankheit des Geistes ... Nieswurz sollt man vor allemMontaigne betrachtet im dritten Buch der Essais von 1588 in Des Boyteux / Von den Hinkenden (XI 1079) einen angeblichen Beleg für Hexerei skeptisch und will der alten Frau vielmehr Helleborus als den Schierlingsbecher verabreichen, d.h. Montaigne wendet sich gegen die juristische Praxis seiner Zeit und gegen den Feuertod. den Geizigen reichlich verordnen, ihnen gäb man mit Recht Anticyras sämtliche Ernten"; Übers. Rudolf Helm mit der Anm.: "Anticyra Stadt in Phokis am Golf von Korinth, bekannt wegen der vielen Nieswurz, die an den Bergabhängen wuchs und als Mittel gegen Wahnsinn angesehen wurde"); Horaz: art. poet. 309: "tribus Anticyris caput insanabile". - Theophrast: caus. plant. IX, 10: Elleborus, die schwarze Nießwurz wächst vor allem auf Anticyra.
  • 25 Helleborischen ] helleborisch, adj., zu elleborus (helleborus), 'Nieswurz' (lat. veratrum).
  • 27 verruckung ] Verrückung, f. 'geistige Verrückung, Gestörtheit'.
  • 27 verschupfung ] f., 'Verdrehung, Verrückung', zu verschupfen, v. 'aus der richtigen Lage bringen, drehen'.
  • 28 vnwesenlichait ] Unwesentlichkeit, f. 'übler Zustand', 'Unrichtigeit, Unvollkommenheit'.
  • 31 Maister Timothe/ Thimote ] Timotheus von Milet, der Flötenbläser Alexanders des Großen, hat den Schülern keine Nieswurz verabreicht, sondern doppeltes Honorar abverlangt, wenn sie schon bei anderen Lehrmeistern Unterricht hatten. Die Anekdote wird auch bei Quintilian: Institutio oratoria II,3,3 angeführt: "propter quod Timotheum clarum in arte tibiarum ferunt duplices ab iis, quos alius instituisset, solitum exigere mercedes, quam si rudes traderentur" (II,3,3); "Deshalb soll Timotheus, der im Spiel auf dem Aulos (etwa Oboe) ein berühmter Meister war, gewöhnlich von Schülern, die schon anderen Unterricht genossen hatten, doppelt soviel Honorar verlangt haben wie von richtigen Anfängern." (Übersetzung Helmut Rahn). Auch bei Alexander ab Alexandro: Geniales dies, II,25, in der Ausg. Paris 1565, Bl. 97 v: "Thimotheus ... qui duplicem mercedem exigebat ab his quos ab aliis magistris male institutos acciperet, ... à rudibus verò & ignaris, simplicem."; "Thimotheus, der doppelten Lohn von jenen heischte, die er von anderen Meistern als schlecht Unterrichtete übernahm, von den Unerfahrenen und Unkundigen nur den einfachen." (dazu 178r: Alexander und Timotheus).

S2r

  • 43 ergaisteret ] ergeistern, v. (sich) 'inspirieren, begeistern'.
  • 44 begirlichen gelust vnd saͤnliche begird/ le desir ] begierlich, adj. 'hungrig', 'eifrig, freudig auf etw./jn. gerichtet'. - Gelust, m. Nebenform von Lust, 'Begierde'; 'Begehren, Verlangen, Lust'. - sehnlich, adj. 'verlangend, heftig begehrend'.
  • 46 wolbegabt von angearteter scharffsinn zuerweisen/ se faire valoir ] begabt, adj. 'ausgestattet, versehen'; angeartet, part. adj. zu anarten, v. 'von Natur eingepflanzt sein', 'von ihrem Wesen her zukommen'. - Scharfsinne, f. (!) 'Scharfsinnigkeit' (nicht im DWB).
  • 47-48 an die bindrimen ... zugelangen ] 'in arge Not, Bedrängnis kommen'.
  • 48-50 wie dem Hercule ... Da jm auf dem wegschaid Frau Tugend vnd Frau Wollust bekamen ] Ausführlich schildert die Begegnung des heranwachsenden Herakles mit Κακία (Laster) und Ἀρετὴ (Tugend) an der Wegscheide Xenophon: mem. II, 1, 21-33 nach Prodikos (Fragmente, in: Early Greek Philosophy. Vol. VIII: Sophists. Part 1. Ed. and transl. by André Laks, Glenn W. Most. Cambridge 2016 [LCL 531], hier D19; D20-D21, S. 438-450). Auch bei Philostrat: vita. Ap. VI, 10, 5 (Kurzfassung mit starken Gewicht auf das äußere Erscheinungsbild der beiden Frauengestalten). - Die bildliche Darstellung des Hercules am Scheidewege (Holzschnitt nach Vorzeichnung von Tobias Stimmer) findet sich seit der ersten Ausgabe der Geschichtschrift/Geschichtklitterung vor dieser Textpassage eingefügt. Diese Attribute nicht erwähnt bei Henkel/Schöne: Emblemata 1643 (mit nur einer Abbildung von sieben Verwendungen). Bei Brant/Locher: Stultifera navis (1497), fol. 130r: Concertatio virtutis cum voluptate, steht Virtus mit einem Spinnrocken auf dem dornigen Berg; der Voluptas/Venus ist ein Totengerippe (Symbol der vita mortis) beigeben. Alle bei Fischart genannten Attribute finden sich bei Tobias Stimmer und (abhängig) Christoph Murer: Virtus mit Spinnrocken und aufgeschlagenem Buch im Schoß, Voluptas mit Laute und erhobenem Weinkelch! Emblema V von Nikolas Reusner: Aureola Emblemata, Thobiae Stimmeri Iconibus affabre effictis exornatus. Straßburg: B. Jobin 1587. Das Bild wurde bereits 1578 in Fischarts Ehzuchtbüchlin wiederverwendet (Abb. in Fischart: Werke 3, ed. Hauffen, S. 206); dann 1582 in der 2. Ausgabe der Geschichtklitterung, Bl. V 7 v, unmittelbar vor dieser Textstelle; nicht enthalten in Holtzwart: Emblematum Tyrocinia (1581). - Nach Stimmer gestaltete Christoph Murer einen Kupferstich, auf dem Virtus und Voluptas mit denselben Attributen darstellt sind. In: Christoph Murer: XL emblemata miscella nova. Das ist XL underschiedliche Außerlesene Newradierte Kunststuck. Zürich: Wolff 1622, Nr. XXXIX.
  • 50 bekamen ] bekommen, v. 'begegnen, entgegenkommen'; 'jm. begegnen, jn. treffen'.
  • 50 jne bereden wolt ] bereden, v. 'jn. (zu etwas) überreden'; 'jmdn. durch eindringliches reden zu etwas bewegen, überreden' ; 'verführen', 'zu etw. (positiv Bewertetem) bewegen'.
  • 52 erstöcket ] erstöcken, v. 'erlöschen', 'erstarren'; "unsicher, ob vom vorhergehenden [erstocken] abzuleiten oder für erstecken zu nehmen, die bedeutungen des verstockens und erstickens, dämpfens würden sich berühren" (DWB 3, 1017 f., mit dieser Stelle). Vgl. erstocken, v. 'starrsinnig, uneinsichtig werden, verschlossen sein'; erstecken, v. 'ersticken machen'.
  • 54-56 richtet jm Ponokraft sein studium auf ain semliche weis an/ das er nit aine tagstund vnnüzlich verzeret/ sondern all sein zeit inn schriftgründung ... künsten vnd vbungen zupracht/ en tel train d'estude le mit, qu'il ne perdoit heure quelconque du jour: ains tout son temps consommoit en lettres et honneste savoir ] Vgl. oben zu den humanistischen Erziehungskonzepten, auf die sich Rabelais bezieht.
  • 54 Ponokraft ] Namenbestandteilsdeutung von κράτοϛ, 'Mühsal, Arbeit' u. 'Kraft, Stärke'.
  • 55 auf ain semliche weis/ en tel train ] semlich, adj. 'ebenso beschaffen', 'solch'.
  • 56 schriftgründung/ en lettres ] en lettres: "mit den Wissenschaften" - Schriftgründung, f. 'Grundlagen der Wissenschaften' (durch die Schriften, Bücher der Alten). Nicht im DWB. Hier eine ausführlichere Darstellung „en lettres“.
  • 58 dahin gewaͤnet ] gewähnen, v., Nebenform von gewöhnen; dahin gewöhnen: '(durch Gewohnheit) zu etw. bringen'. - dahin, adv. 'auf etw. hin'.
  • 59 vmb vir vren morgens erwachet/ S'esveilloit ... environ quatre heures du matin ] Es handelt sich um die vierte der äquinoktialen Stunden des Tages (zwei mal 12 Stunden gleicher Länge), nicht die vierte Tagstunde der mittelalterlichen temporalen (nach Jahreszeit veränderlichen) Stundeneinteilung des Tages (die würde zwischen 7.30 und 10.30 Uhr heutiger Tagesezeit beginnen) und der Nacht.

S2v

  • 65 aus dem Land da man Kompt jr gruͤset/ natif de Basche ] Die Gegend um Chinon. Grüßte man dort Fremde nicht, sondern fragte sie „d’ou venez-vous“? Nicht ermittelt.
  • 66 Anagnostes/ Anagnostes ] gr. ἀναγνώστης, 'Vorleser'; ἀνάγνώσις, 'Vorlesen, Lesen', 'Wiedererkennen'. Im Namen steckt eine Methode, Wissen zu memorieren.
  • 69 wie an dem Venedischen Marienpsalter zusehen ] noch ermitteln
  • 70-71 zur haimlichen rainigkeit/ és lieux secretz ]"auf das heimliche Örtchen"; Übers. Steinsiek - nicht mit dieser Bedeutung (Ort der 'Reinigung') im DWB.
  • 71 daͤuungsmateri/ des digenstions ] Kompositum aus Däuung, f. 'Verdauung' und Materie, f. 'Stoff', 'Exkremente des Körpers'.
  • 73 Preceptor/ precepteur ] Präzeptor, m. 'Lehrer, Lehrmeister; Erzieher', von lat. praecipere, 'vorschreiben; befehlen'.
  • 77-78 inn was zaichen Sonn vnd Mon denselben tag gang/ quels signes entroit le Soleil ] Die astronomischen Beobachtungen gehören zum Quadrivium der gelehrten Bildung. Hier beobachtet Gargantua mit seinem Präzeptor die Sonnen- und Monddurchgänge durch die zwölf Tierkreiszeichen (Zodiak) entlang der Ekliptik (in der Dämmerung nach Sonnenuntergang und -aufgang beobachtbar).
  • 82-83 mit dem naͤchsten pergamenseligen in den himmel gefahren ] Pergamentseliger, m. Adhoc-Prägung Fischarts 'ein durch das Pergament selig Gewordener', ein mit dem (auf Pergament gedruckten) Ablassbrief (breve indulgentiarum) versehener Christ? "Fischart confirms that the sale and abuse of indulgences continued to annoy the Protestants at the end of the century" (Weinberg 1986, S. 74). Durch Kauf erworbene Ablässe wurden allerdings von Papst Pius V. bereits 1567 aufgehoben. - Oder ein durch päbstliche Seligsprechung (Beatificatio) ausgezeichneter Diener Gottes?


/ Absatz 2

  • 84 lez/les lecons ] Letze, f. 'Lektion', 'Leseabschnitt'; (best.) Aufgabe'.
  • 86-87 gos/ gründet vnd gab ... etlich exempel/ et y fondoit quelques cas pratiques ] gießen, v. 'etw. formen'; gründen, v. 'mit einem Fundament versehen', 'eine Grundlage geben'; 'festigen', 'fundieren'; 'etw. nachweisen, beweisen', durch Aufführung von Argumenten stützen, glaubhaft machen, begründen; 'erläutern'.
  • 91 eingnestelt ] einnesteln, v. 'einschnüren', die Nesteln (Stifte, die durch Schlaufen gesteckt werden) zuknöpfen.
  • 94-95 die ordenlich lection auf trei stunden/ par trois bonnes heures ... lecture ] Die lectio ordinaria umfasste am Vormittag drei Lehrstunden.

S3r

  • 96 gingen sie hinaus auf ferripfatetisch/ issoyent hors ] nach Art der Peripatetiker/Aristotelesschüler; die Vorträge wurden beim Auf- und Abgehen (περίπατεῖν) in einem Garten des Lykeions (περίπατον τὸν ἐν Λυκείῳ) gehalten. Diogenes Laertios V,2: "wo er [Aristoteles] täglich ... auf und abwandelnd sich mit seinen Schülern in philosophischen Unterhaltungen ergangen habe. Daher der Name Peripatiker [περιπατητικὸν] (Herumwandler)." (Übers. von Otto Apelt). - ferripfatetisch, adj. zum Grundwort Pfad, mhd., fnhd. pfat, 'schmaler Weg', mit Bestimmungwort ferre, verre, adv. u. adj. 'weit', 'fern'. (Hinw. Nyssen).
  • 97 einhalt/ des propos ] Einhalt, m., 'Inhalt', lat. argumentum.
  • 98 lectur/ lecture ] Lectur, f. "als gelehrtes Schulwort" aus mlat. lectura, 'Lesen'.
  • 98 fuͤgten sich ... auf das gruͤn Bruch/ et se desportoient en Bracque ou es prez ] ("und sie trieben Sport, entweder im 'Braque' oder in den Wiesen"; Übers. W. Steinsiek); "le grand Bracque" (dt. der Bracke, ein Spürhund) in Paris, das Ballspielhaus (Tennishalle), befand sich am Place de l'Estrapade in der Nähe der Sorbonne (Huchon, S. 1126, zu S. 65, A. 7) - Das Grüne Bruch (Le Marais vert), in der Nähe des Klosters bzw. Spitals St. Marx (später Johanniterkloster genannt) vor Straßburg gelegenes Wiesenland; vgl. Charles Schmidt: Straßburger Gassen- und Häuser-Namen im Mittelalter. Straßburg 1871, S. 45 (rue du Marais vert). - Bruch, m., n. 'Heide', elsäss. Bruech, n., m. 'sumpfige Wiese'.
  • 99-100 die Schweitzermatten/ die Reinisch Wisen/ vnd die Schwaͤbisch Au ] Matte, f. alem. 'Wiese'; Aue, f. 'Wiese'; vgl. DWB 1, 598: Au: "Fischart in der (unter au) angeführten stelle setzt das (niederrheinische?) grün bruch dem schweizerischen matte, rheinischen wiese, schwäbisch au an die seite" (ebd.).
  • 100 des Ballens/ à la balle ] Tennisspiel (frz. jeu de la paume). Fischart ergänzt zum Tennisspiel, seinem Vorläufer "à la paulme', bei dem der Ball mit der flachen Hand gespielt wurde und dem Ballspiel "à la pile trigone", 'Zuwurf') weitere Freiluft-Spiele und Wettkämpfe.
  • 109-111 hoͤrten gemainlich auf/ wann sie vber den ganzen leib for schwais tropften/oder sonst ermuͤdet waren/ cessoyent ordinairement lors que suoyent parmi les corps, où estoyent autrement las ] nach Hippokrates: Epid. lib. VI (Ein Zeichen, daß man sich genügend körperlich ertüchtigt hat, ist der Schweiß) und Celsus: de medicina I,2,6: "Exercitationis autem plerumque finis esse debet sudor aut certe lassitudo ..." (LCL 292, S. 48); "Aber die (körperliche) Übung sollte mit Schweiß oder zumindest Mattigkeit enden ...". (Hinw. Plattard, S. 140)
  • 112-113 zogen frische hemder an/ neue klaider vber alte filzlaͤus/ changeoyent de chemise ] Filzlaus, f.: Phtirus pubis, Parasit, der die Haare der Genitalien befällt. - Fischart versieht die Handlung (den Schweiß nur trocken abreiben, danach frische Hemden anziehen) mit ironischem Kommentar.
  • 120 Herr Happetit von Darmstatt vnd Eßlingen/ monsieur l'appetit ] Happetit, m., das frz. appetit wird dem dt. Happe, Happen, m. 'Bissen' anverwandelt; Fischart ergänzt dazu sprechende detusche Ortsnamen.
  • zureuten/ venoit ] jdn. reiten, v. 'quälen, plagen'.

/Absatz 3

S3v

  • 127 zubesprachen/ parlans ] besprachen, v. 'besprechen'.
  • 132 Tischweis/ Ce que faisant ] Tischweise, f. 'Tischsitte' , 'Verhaltensweise bei Tisch' (Tischweise, Tischsitte nicht im DWB).
  • 133 oͤrter vnd allegationen/ so zu disen sachen/ tous les passage à ce competans (angezogen und gefunden werden) ] Ort, m., Pl. Örter, "stelle in einer schrift, wo ein Satz, ein ausspruch sich befindet"; "das an einer solchen stelle enthaltene, die textstelle" (DWB 13, 1357 f.Ort III 8 u. 9); Allegation, f., 'Textbelegstelle', nach lat. allegatio, Zitat.
  • 134-137 aus dem Plinio ... Eliano vnnd anderen/ en Pline ... Eliam, et aultres ] Aufzählung der Botaniker und Tierkundler (alle bereits bei Rabelais).
  • 134 Atheneo/ Athene ] Athenaios (Anf. 3. Jh.), Verfasser der Deipnosophistai ('Symposion der Gelehrten'), ein dialogisches Kompendium des gelehrt kommentierten Alltagslebens, inbesondere der Gastronomie, mit zahlreichen Zitaten aus der Literatur zur Kochkunst und der für die Zubereitung notwendigen Zutaten und Kräuter.
  • 135 Dioscoride/ Dioscoride ] Pedanios Dioskurides, Arzt und Pharmakologe (1. Jh.), Verfasser eines Arzneimittelbuches, der Materia medica.
  • 135 Julio Polluce/ Julius, Polux ] Iulius Pollux (Polydeukes; 2. Jh.), Verfasser eines nach Sachgruppen geordneten Wörterbuchs; Buch I, Cap. 12 ff. handelt vom Ackerbau, den Pflanzen und Gerätschaften, Buch IV, Cap. 1-13 von der Jagd. Besondere Bedeutung dürfte in der Aufzählung bei Rabelais aber das Buch VI (Cap. I-20) haben, das den Gastmählern, den dort aufgetragenen Getränken und Speisen und den verwendeten Gerätschaften und Gefäßen gewidmet ist: "De conuiuio, eius celebratione et super quae conuiuandum sit" (lat. Ausg. 1541, S. 261, Inhaltsverzeichnis des VI. Buchs). Es handelt sich um ein Universal-Lexikon, keineswegs nur um eines der Jagd und Fischerei (letztere kommt so gut wie gar nicht vor), "auteur d'un lexique grec sur la chasse et la pêche" (so Huchon, S. 1127, Anm. 7).
  • 135 Galeno/ Galem ] Galenos hat zahlreiche Traktate über die Ernährung geschrieben; Lefranc (II,23,42) nennt folgende Schriften : De attenuante victus ratione ('Von der verdünnenden Lebensordung', nur in lat. Übers. überliefert; enthält Diätvorschriften, um überschüssige Körpersäfte zu mindern bzw. auszugleichen); De sanitate tuenda [san. tuend. = Hygiene]; De alimentorum facultatibus [alim. fac.] ('Von den Kräften der Nahrungsmittel'); De probis et pravis alimentorum succis ('Von den guten und schlechten Säften der Nahrungsmittel') etc.
  • 135 Porphirio/ Porphyre ] Porphyrios (2. H. 3. Jh.), Neuplatoniker, Schüler Plotins, Logiker und Verfasser von Kommentaren zu Schriften des Aristoteles; in seiner Schrift De abstinentia (ab usu animalium) ('Enhaltsamkeit vom Fleisch') begründet er die Notwendigkeit einer fleischlosen (vegetarischen) Ernährung.
  • 136 Opiano/ Opiam ] Oppianus von Korykos (um 200 n. Chr.), Verfasser einer Versdichtung über die Jagd (Kynegetika; ungesicherte Zuschreibung) und den Fischfang (Halieutika). Da er in beiden Werken ausführlich auf die Vielfalt der Arten eingeht und die (griechischen) Namen der jagd- und fischbaren Tiere nennt, sind die Versdichtungen geeignet, um bei Tisch darüber zu sprechen.
  • 136 Polybio/ Polybe ] Polybos von Kos (5. Jh.), Schüler und Schwiegersohn des Hippokrates, dem die Traktate: De salubri diaeta lilbellus (sive victus ratione) (auch Hippokrates selbst zugeschrieben) und De principiis aut carnibus u.a. zugeschrieben werden.
  • 136 Heliodoro/ Heliodore ] Vgl. die Kompilation von Pierre Gilles, die einige der hier versammelten Autoritäten im Titel enthält: Ex Aeliani Historia Per Petrum Gyllium Latini Facti, itemque ex Porphyrio, Heliodoro, Oppiano ... libri XVI. Lyon: Seb. Gryphius 1533 (Plattard, S. XXVIII); dass. 1535; vgl. (1535) S. 25: Der Übersetzer rühmt sich, nicht nur Aelians Historia animalium ins Lateinische übersetzt zu haben, sondern ergänzt dessen Abschnitte "ex Aeliano, Oppiano de uenatione, Athenaeo, Heliodoro, Porphyrio, ac caeteris omnibus qui scripserunt de natura animalium post Aristotelem". Der im Titelblatt genannt Heliodorus ist H. Emesenus (3. Jh.), der Verf. der Aethiopica, vgl. (1535), S. 160: "Decimo Aethiopicôn libro Heliodorus ait ...".
  • 136 Aristotele/ Aristote ] Vgl. Aristot. De plantis; part. an., hist. an. Die drei Schriften enthalten Beschreibungen von essbaren Pflanzen, Kräutern und Früchten wie von Wild- und Haustieren.
  • 136 Eliano/ Eliam ] Claudius Aelianus (ca. 170-240), versammelte in seiner 17 Bücher umfassenden Schrift De natura animalium Erzählungen (und Fabeln) über alle der Antike bekannten Tiere. Ausgaben: De Historia Animalium libri XVII. Lyon 1562. - Opera (gr./lat.). Hrsg. von Conrad Gessner. Zürich [1556].
  • 137 angezogen ] anziehen, v. 'etwas 'vorbringen, darlegen', 'anführen', zitieren', 'erwähnen'.
  • 139 vergwissung halben/ pour plus ester asseurez ] Vergewissung, f. 'Sicherstellung'.
  • 146 -147 Cotoniatconfect/ oder kuͤttenlatwerglin/ mit Rorkraut vermengt/ confection de cotoniat ] (confiture de coings, Quittenconfiture). - Cotoniatconfect , 'Konfekt aus Quitten' (nicht im DWB), zu frz. cotoniat, cotignac, 'Quittenkonfitüre', nach lat. cotoneum, 'Quitte' und Confect, m. 'Konfitüre, Latwerge' . - Küttenlatwerge, f. 'Quittenlatwerge'; vgl. Latwerge, f. 'Arznei in Breiform', lat. electuarium. - Korkraut (A); korkraut (B, C); Korkraut, n. (DWB 11, 1812, nur diese Stelle); die Versal-Buchstaben R und K sind in der Schwabacher Drucktype leicht vom Setzer zu verwechseln. Gemeint ist Ruhrkraut, n. "verderbt röhrkraut, Name verschiedener kräuter, welche man gegen die ruhr gebrauchte" (DWB 14, 1471); vgl. "Ruercruydt/ ... Jn Latijn/ Gnaphalium vulgare, Filago, Centumculus. Jn Hoochduytsch/ Rurkraut ... ende schijnt te wesen Impia van Plinius" (Matthias de Lobel: Kruydtboeck. Antwerpen: C. Plantyn 1581, S. 565); Dasypodius: Dictionarium latinogermanicum 1536, Nomina herbarum, Bl. 472r: "Růrkraut. Gnaphalium, Centunculus"; vgl. ebd. Bl. 85v: "Gnaphalium, Rode kraut/ Rhurkraut. latinè Centunculus". - Zur Bezeichnung "Rohrkraut" vgl. Wilhelm Ulrich: Internationales Wörterbuch der Pflanzennamen in Lateinischer, Deutscher, Englischer und Französischer Sprache. 2. Ausg. Leipzig 1875, S. 100: Gnaphalium dioicum, "das zweihäusige Rohrkraut", ebd., S. 91: Filago vulgaris, "Rohrkraut"; Sumpf-Rohrkraut (Gnaphalium ulignosum) (Berichte der Bayerischen Botanischen Gesellschaft zur Erforschung der heimischen Flora. 1986, S. 48); "Rohrkraut, oder wenig Gnaphalium vulgare Agrimonia" (Anonym: Der wohlerfahrne Seifensieder und Kerzen- oder Lichterzieher. Grätz 1803, S. 177).
  • 147-148 fing er an ... seine zaͤn mit aim loch von Mastichbaum zusteuren/ s'escuroit les dens avec un trou de Lentisce ] nach Plattard S. 215 folgt Rabelais hier Martial: Ep. XIV,22: "Lentiscum melius; sed si tibi frondea cuspis Defuerit, dentes penna levare potest"; "Besser ist Mastixholz; doch fehlt dir ein spitziger Holzspan, kann eine Feder ja auch dir deine Zähne befrein." (Übers. Rudolf Helm); die Zähne mit einer Mastixsprosse zu reinigen, muß doch wohl auch in späteren Zeiten üblich gewesen sein, muß man hierfür Martial bemühen? Vgl. Erasmus: Adagia I,8,33 ("Lentiscum mandere"); Pedanios Dioskurides: mat. med. I, 89 (92) (Pistacia lentiscus): "Cremia eius uirentia dentibus Calamistri uice atteruntur: exteruntque eos"; " Die grünen Holzsplitter, mit welchen statt Zahnstochern die Zähne gerieben werden, machen diese glatt." (Übers. Julius Berendes). Defaux 240,19 verweist noch auf Erasmus: De civilitate morum puerilium, Opera omnia, Tom. I, 1035 E (i.e. die Seitenzählung der Ausg. Lyon 1704) [De gestibus corporis 35 ("Quod dentiscalpium est adhibendum")]: "non mantili eximendum est, sed vel lentisci cuspide vel penna, vel ossiculis, e gallorum aut gallinarum tibiis detractis". (De civilitate morum puerilium. Éd. par Fr. Bierlaire. In: Opera omnia. I,8. Leiden, Boston: Brill 2013, S. 299-341, hier S. 322) / "auch nicht mit dem Salvet heraus zunehmen; sondern entweder mit einer Spitze von Mastix-Holtz/ oder einer Feder/ oder mit Beinlein/ so von der Hüner oder Hähne Füssen abgezogen worden." (Übersetzung Andreas Stübel). - Damit zeigt Gargantua eine verfeinerte Methode der Zahnreinigung, die er in Kapitel 26 noch weitaus gröber ausführte: "steuret vnd gribelt inn zaͤnen mit aim schweinenfus/ oder saukloen" (1575, R3v).
  • 148 Mastichbaum/ de Lentisque ] Mastixbaum, m. lat. pistacia lentiscus (Pistazie).
  • 149 zusteuren ] steuren, stüren, v. 'stochern', "besonders 'stochern' in den zähnen".
  • 149-150 seine haͤnd vnd augen mit frischem Wasser zuweschen/ se lavoit les mains et les yeulx de belle au fraische ] Anweisung aus dem Regimen Salernitanum: "Lumine mane manus surgens gelida lavet aqua"; "apres qu lhomme est leue du matin il doit lauer ses yeulx deaue clere et froide" ("wenn der Mensch sich des Morgens erhebt, soll er sich die Augen mit klarem und kaltem Wasser waschen"), Regimen sanitatis en francoys. Lyon: Claude Nourry 1503, Bl. a iij v.
  • 151 mild guͤte/ benignité divine- nicht im DWB, vgl. mildgütig, adj. Auch Ehzuchtb. 1578, P 3 r (Werke 1, ed. Hauffen, S. 301,27): "von Natürlicher mildgüte ... begabet"; Hinw. Leitzmann (1924), S. 59.
  • 154 geschwindigkaiten ] Geschwindigkeit, f. 'geistige Gewandtheit, Geschicklichkeit, Klugheit' (DWB 5, 4000 f.: Geschwindigkeit 4, nicht 5 ['Schlauheit, Listigkeit'], mit dieser Stelle).
  • 154 neue fündlin/ inventions nouvelles ] Fündlein, n. 'kleine und damit feine List', 'Kunstgriff', 'Erfindung'.
  • 157 lust naigung/ en affection- Lustneigung, f. (DWB 12, 1348, nur diese Stelle, ohne Deutung); 'Affektion', 'begehrende Zuneigung'.
  • 157 zalkunst/ science numerale ] Zahlkunst, f., 'Zahlenkunst, Rechenkunst'.

S4r

  • 163 plaͤtterkunst ] Blätterkunst? Vgl. Kartenblatt, n. 'einzelne (Spiel-)Karte'; Blatt, n., pl. Blatt u. Blätter, 'Spielkarte', 'Kombination aus mehreren Spielkarten'.
  • 163 augenrechenung ] (DWB 1, 809, diese Stelle, ohne Erklärung); vgl. Auge, n. 'die Punkte auf den Würfeln'; auch Punkte im Kartenspiel; 'Punkt auf dem Würfel, Wert einer Spielkarte oder eines Stiches in Punkten'.
  • 165 Theoric/ theorique ] NF für Theorie (u.a bei Paracelsus), 'philosophische Spekulation'.
  • 165 ertürung vnd erpraͤchung ] Ertürung, f. 'Eröffnung' (DWB 3, 1029, s.v. Erthürung, nur diese Stelle; vgl. erthüren, v. ebd.); 'Türenöffnung'; Erbrechung, f., vgl. erbrechen, v. (ein Tor) 'aufbrechen'.
  • 167 Tunstal der Engellaͤnder/ welcher weitlaͤufig davon geschriben hat/ Tunstal Angloys, qui en avoit amplement escrit ] Cutbert Tunstall (1476-1559), Bischof von Durham, Philosoph und Mathematiker, veröffenlichte das erste in England gedruckte Mathematikbuch (inspiriert von der Summa de Arithmetica Luca Paciolis): De arte supputandi [über die Rechenkunst] libri quatuor. London 1522. Paris: Robertus Stephanus 1529 u. 1538.
  • 170 als inn Knifwendischer sprach/ que le haut alemant ] Zu knifwendisch vgl. DWB 11, 1435: "als wenig oder nicht bekannte sprache ... was ist das knif? es erinnert übrigens an kauderwelsch". Vgl. Kniff, m. 'Ränke, heimliche Künste' (DWB 11, 1434: Kniff 3 b); Wendisch als Geheimsprache? Vgl. wendisch, adj. "mitunter zur charakterisierung einer undeutschen, unverständlichen sprechweise schlechthin" (DWB 28, 1810 f.: wendisch 1 b). Erwähnt bei Frantzen (1892), S. 59 (ohne Erklärung) und Zitzmann (1935), S. 66 (ohne Erklärung).
  • 171-172 inn anderen Mathematischen Weishaitkundlichaiten/ des autres sciences mathematiques ] hier für 'angewandte Mathematik' in den gleich im Anschluss genannten Disziplinen Geometrie, Astronomie und Musik? Vgl. weisheit(s)kundig, adj. zu Weisheit A 3: 'Lebensweisheit, Erkenntnis, Wissen' (DWB 28, 1138)
  • 172 erfarungskünsten ] Erfahrungskunst, f., ohne Deutung (DWB 3, 794); nicht im ²DWB; zu Erfahrung, f. 'Kenntnis, Wissen auf der Grundlage eigenen Erlebens, persönlicher Wahrnehmung, auch die einzelne Beobachtung, Feststellung' (²DWB 8, 1702: Erfahrung 2 b). - Bezeichnung der von mathematischen Berechnungen geprägten Disziplinen.
  • 175 verdaͤuung vnd konkochsion/ la concoction ] lat. concoctio, 'Verdauung', hier mit 'Zusammenkochen' gedeutet.
  • 176 auswartet/ attendans ] auswarten, v. 'warten, abwarten'.
  • 179 die Astronomische Hauptregelen vnd Canones/ les canons Astronomiques ] canon, lat. 'Regel'. Seit dem Erscheinen von Nikolaus Kopernikus: De revolutionibus orbium coelestium (1543) haben sich zwar die Grundannahmen über die Himmelsbewegungen geändert, wenig jedoch an den mathematischen Berechnungen zukünftiger Ereignisse wie Sonnen- und Mondfinsternissen oder Planetenkonstellationen.

/ Absatz 4

  • 180-181 Musicisch ... zufiguriren/ à chanter musicalement ] figurieren, v. "symphonia canere, den figural mit einandern singen" (DWB 3, 1630: figurieren 2); vgl. Figural, m. "concentus, symphonia" (ebd.). "Musick (Figural-) ... heisset diejenige Art der Musick, da eine oder mehr Stimmen, mit dazu gehörigen Instrumenten, auf unterschiedliche Weise eingeführet werden, und eine Note immer mehr als die andere gilt, ihre Zeichen auch so wenig gleich sind, als der Tact, als welcher bald geschwinde, bald langsam gehet. Selbige wird heutiges Tages auff fünff Linien verzeichnet. Es lehret aber solche Figural-Musick, wie man den vorgegebenen Gesang recht zierlich, künstlich und lieblich mit der Stimme singen, oder mit andern Instrumenten zusammen stimmen soll, also, daß dadurch das menschliche Gemüthe ermuntert, und das Hertz beweget werde" (Zedler 22, 1457). Musizieren nach Noten.
  • 183 zuentrostigen ] entrostigen, v. (DWB 3, 588, diese Stelle); 'die Sängerstimme befreien'.
  • 184 ain gut gesezlin ] Gesetzlein, n. 'ein Stückchen, ein bisschen' (DWB 5, 4080) 'ein wenig'; gutes Gesetzlein, 'angemessenes Quantum', 'eine gute Reihe von etw.', 'mehrere Strophen' (eines Liedes).
  • 184 Reuterlidlin ] Lieder von und für Reiter.
  • 184 zu gurgelen ] lautmalerisch vom Singen. * 185 im hals zu dichten vnd zu vberwerffen ] im Hals dichten? Keine der Bedeutungsangaben im DWB zu dichten (DWB 2, 1058-1062) und überwerfen, v. (DWB 23, 645-650) kann hier überzeugen, am ehesten noch dichten, 'ersinnen, erfinden', 'nachahmen' (DWB 2, 1061: dichten 5); überwerfen, 'überlegen' (A 2).

/ Absatz 5

  • 187 Jnstrument der Music/ instrumens de musique ] Instrument, n. 'Tonwerkzeug'. Vgl. zur 'Liste der Musikinstrumente' Dietlind Möller: Untersuchungen zur Symbolik der Musikinstrumente im Narrenschiff des Sebastian Brant. Regensburg 1982, S. 99, spricht von einer "Pervertierung" der topischen Gegenüberstellung von Laute und Sackpfeife, die ab der Ausgabe 1582 hinzukommt, (Apollinisch versus Dionysisch = Saiteninstrumente vs. Blasinstrumente) bei Fischart: "Gargantua lernt nämlich alle diese Instrumente sowie etliche Fantasiegebilde gleichzeitig spielen [...] Die grobianische Groteske verzerrt auch diesen Topos in sein Gegenteil, die unvereinbaren Widerpartner werden in einem Atemzug hintereinander aufgezählt."
    • Literatur: Herbert Riedel: Die Darstellung von Musik und Musikerlebnis in der erzählenden deutschen Dichtung. Diss. Bonn 1959 (S. 389-400 zu Fischart).
  • 187-188 so lernet er auff der Lauten spilenil apprint à jouer du Lut ] Die Laute eröffnet auch die Reihe der Musiziernden Frauen von Tobias Stimmer, mit Versen von Johann Fischart, gedruckt bei Bernhard Jobin in Straßburg (um 1573).
  • 189 der Teutschen Zwerchpfeiff/ de la fleutte d'Alemant ] Zwerchpfeife, f. 'Querpfeife, -flöte'. "Man verwandte ... das Beiwort 'deutsch' in ganz Europa zur Benennung des Instrumententyps und sprach also in den verschiedensten Nationalsprachen von der 'deutschen Flöte'." (Riedel 1959, S. 395). Vgl. Stimmer/Fischart: Musizierende Frauen 5: Querflöte.
  • 189 der Floͤten auff neun loͤchern/ et a neuf troux ] Blockflöten haben ebenfalls neun Löcher.
  • 190 des Hackprets ] Hackbret, n. 'Sambuca', Musikinstrument mit Drahtseiten auf doppelten Stegen, die mit Holzschlägeln gerührt werden. Vgl. Stimmer/Fischart: Musizierende Frauen 6: Hackbrett.
  • 191 der Sackebutte/ de la sacqueboutte ] Sackebutte, f., frz. saquebute, Bassposaune (DWB 14, nur diese Stelle); Weidmann (1913), S. 15. "'Sackebutte' bezeichnet entsprechen dem frz. 'saquebute' ... die Zugposaune" (Riedel 1959, S. 396).
  • 192 purgirt/ se purgeoit ] purgieren, lat. purgare, 'reinigen'.

S4v

  • 195 Principalstudiren/ estude principal ] principal, adj. frz. principal, 'der erste, vornehmste'. Kompositum (mit der Bedeutung 'Haupt-, Generalstudium') nicht aufgeführt im DWB.
  • 199-200 die alte vnd Roͤmische schrift/ les antiques et Romaines lettres ] Vgl. Caspar Neff: Ein kostliche Schatzkammer der schreibkunst vnd Cleinott Der Cantzley vnnd ander schreiber. Köln 1549, S. [17]: "Antiqui romani, iacenti modo" oder S. [25]: "L'escripture francoyse ... laquille on appelle Vieulle Romanie".
  • 200-201 recht zu arten/gestalten vnd zuformiren/ à bien traire et former ] arten, v. 'bilden, gestalten'. -formieren, v. 'bilden', nach lat. formare.

/ Absatz 6

  • 202-330 Die folgenden Leibesertüchtigungen (außer Reiten und Schwimmen) zählen zu den Disziplinen des Fünfkampfs: Fechten, Ringen, Springen, Laufen, Werfen. Vgl. das Sprichwort "Valere pancratice", "Gesund wie ein Fünfkämpfer" (Erasmus: Adagia II,8,86). "Plautus in Bacchidibus, Valere pancratice dixit: pro eo quod est, firma esse valetudine ..."; "Plautus spricht in den Bacchiden: 'Gesund wie ein Fünfkämpfer', für das, was man 'von kräftiger Konstitution' heißt" (August Faselius: Latium. Weimar 1859, S. 266. Die Stelle bei Plautus: Bacchides, V. 248 etwas abweichend). - Vgl. zu den klassischen Sportarten Girolamo Mercuriale: De arte gymnastica libri sex. In quibus exercitationum omnium vetustarum genera, loca, modi, facultates, et quidquid ... ad corporis humani exercitationes pertinet, diligenter explicatur. 2. ed. aucti, et multi figuris ornato. Venedig: Giunti 1573.
  • 204 Kamerjung/ escuyer ] Kammerjunge, m. 'Page'.
  • 204 Federfechter ] m., 'Freifechter von der Feder'; "es ist nicht recht klar, warum sich dieser verein nach der feder nannte ...; doch in dem von Rudolf II der gesellschaft verliehenen (oder bestätigten?) wappen erscheinen zwei mannsarme, die ihre hände in einander falten und darin eine schreibfeder halten" (DWB 3, 1399); "oft aber standen zwei gesellschaften einander gegenüber, die federfechter oder freifechter von der feder und die Marxbrüder" (DWB 3, 1390 s.v. Fechter).
  • 206 schickten sie sich inn bossen ] 'trieben sie ein Spiel'.
  • 207 verwechselten/ Changeant ] verwechseln, v. 'auswechseln'.
  • 207 Schulsack ] s. o. 85 "im SchulSack verligen".
  • 210 ain leichtroß/ cheval léger ] Leichtroß, n. (nicht im DWB): ein leichtes Ross, palefridus, dagegen dextrarius ein schweres Streitross (Mecklenburgisches Urkundenbuch. Bd. IV: Register. Schwerin 1867, S. 462).
  • 211 Kürispferd/ coursier ] Kürispferd, n. 'gewappnetes Pferd'.
  • 211 Harttraber ] ein harttrabendes Pferd (DWB 10, 520, nur diese Stelle; vgl. ebd. harttrabend, part.).
  • 211 Hochheber ] "bezeichnung eines pferdes, nach seiner gangart" (DWB 10, 1623, nur diese Stelle).
  • 212 Hochstampffer ] "bezeichnung eines rosses nach seiner gangart" (DWB 10, 1633, nur diese Stelle).
  • 212 Sanftzeltner ] "bezeichnung eines reitpferdes von ruhiger, gleichmäsziger gangart" (DWB 14, 1788, nur diese Stelle); Zeltner, m. Nebenform von Zelter.
  • 212 ain Jungfraudiner ] Ein im Passgang gehendes Pferd, Zelter.
  • 213 ain Rennroß/ un genet ] Rennpferd (DWB 14, 814, nur diese Stelle).
  • 213 da stach ers an/ luy donnoit cent quarrieres ] anstechen, v. (mit der Gerte) 'antreiben'.
  • 214 treischlagen ] dreischlagen, v. 'zelten', Gangart des Pferdes.
  • 215 gengen ] gängen, v. gegen einander 'anlaufen' (?).
  • 215 passen ] passen, v. 'den Passgang gehen, zelten'.
  • haͤssiren ] hasieren, häsieren, v. "von einer gangart des pferdes" (DWB 10, 542, mit dieser Stelle), von frz. hasier, m. 'gestreckter Trab' (Hinw. Nyssen).
  • 216 zabelen ] zappeln, v. 'mit kurzen, schnellen Schritten gehen' (vgl. DWB 31, 275-279 und 31, 6-11: zabeln).
  • 217 ausspringen ... vber den graben / franchir le fossé ] ausspringen, v. 'über den Graben, den Zaun setzen'.
  • 217 luftspringen voltiger en l'air ] nicht im DWB.
  • 217 auflaͤnen ] auflehnen, v. 'aufstützen' oder sich 'widersetzen' (vom Pferd)? (DWB 1, 685 ohne Aufschluss); 'sich aufwerfen, erheben' (FWB s.v. aufleinen); hier vielleicht 'aufbäumen'.
  • 217 schwaifen ] schweifen, 'tanzen, tänzeln' (DWB 15, 2416 ohne Aufschluss); vgl. Fischart: Praktik A, Bl. A iijr (= SW 1, S. 302,11) "Mercurius würd schweiffen/ wie ein Nepolitanisch pferd dantzt"; Praktik B, C iiij v (= SW 1, S. 349,37): "Mercur ... schweifig/ wie die Neapolitanische pferd danzen".
  • 218 hacken ] hacken, v. 'schlagen'? (vom Pferd) (DWB 10, 103-106, ohne Aufschluss)
  • 220 klimmen ] klimmen, v. 'steigen', "eig. wol vom bäumen beim ansprunge, daher auch vom bespringen der thiere, das auch steigen, besteigen heißt" (DWB 11, 1164: klimmen I 1 e, mit dieser Stelle).
  • 220 vber den pfal/ sauter le palis ] ein in den Boden geschlagener Pfahl als Hindernis beim Springreiten.
  • 220 vber die schrancken ] Schranke: ebenfalls als Hindernis beim Springreiten.
  • 221 vber Eppelins haͤuwagen ] Episode aus dem Lied; s. Ein schön New Lied/ von dem Eppele von Geylingen. Augsburg: Franck o.J. [um 1565] [VD16 ZV 14054] (Hinw. Hauffen 1908, S. 279). Der Sprung über acht (Heu-)Wagen Str. 34-36; Williams (1909), Nr. 124. S. unten Z. 256: "inn den Main sprengen/ die stifel zu Noͤrnberg holen". - Spengler (1969), S. 471: "der den Nürnbergern entwischte, als sie ihn hängen wollten, wovon sich die Redensart herleitete: 'Die Nürnberger hängen keinen, sie hätten ihn denn zuvor'".
    • Lit.: Werner Schoger: Raubritter Eppelein von Gailingen und seine Zeit. Ein Leben zwischen Dichtung und Warhheit. Insingen: Degener 2008, S. 14 zum Heuwagensprung (populärwiss.)
  • 221-222 eng inn aim ring links vnd rechts vmbkehren/ court tourner en un cercle, tant à dextre comme a senestre ] Es folgen hier die Dressurreiter-Stücke (Bahnfiguren).
  • 222-223 sich zaͤumen/ sperren/ prangen/ feldschreien/ feldmuͤtig/ forstrutig ] sich zäumen, v. 'lenken, zügeln'. - sich sperren, v. 'sich strecken' (von den Gliedmaßen). - prangen, v. 'erschallen sich hören lassen', 'sich stolz hören lassen'. - feldschreien, v. 'wiehern im Feld, vom Pferd' (DWB 3, 1489, diese Stelle). - feldmütig, adj. "von einem kühnen reiter, der sein pferd im feld umtreibt" (DWB 3, 1487, diese Stelle). - forstrutig, adj. (DWB 4, 6; bloßer Verweis auf diese Stelle); vgl. strutig, adj., 'rossig', zu Strute, 'Stute'.
  • 224 geradigkait mit Pferden ] Geradigkeit, f. 'Behendigkeit, Gewandtheit', "besonders im reiten und im kampf zu ross, 'reiterstückchen' " (DWB 5, 3559: Behendigkeit 5 b, mit dieser Stelle).
  • 225 prach man ... nicht vil schaͤftlin/ rompot non la lance ] Schäftlein, n. Diminutiv (nicht im DWB) zu Schaft, m. 'Lanze', die im Turnier verwendet und zerplittert wird.
  • 226 spisprechen ] dass. wie Speerbrechen.
  • 226 rumpellanzen ] "scherzhaft gebildetes verb" (DWB 14, 1488, nur diese Stelle); wohl Fehldeutung, eher nach dem frz. rompre la lance (Hinw. Nyssen) verkürztes "rumpel die Lanze", 'stoße die Lanze'; vgl. rumpeln, v. etw. 'mit Geräusch bewegen, stoßen'. Fischart greift die Formulierung "Là rompoit non la lance ... J'ay rompu dix lances en tournoy, ou en bataille" erneut auf und verdichtet sie in einer Wortneuschöpfung.

S5r

  • 228 Scharmützel/ en bataille ] Scharmützel, n. (kleineres) 'Gefecht'.
  • 229 Rennspaͤr/ lances ] Rennspeer, m. 'im Turnier (Rennen) benutzte Lanze' (DWB 14, 814, nur diese Stelle).
  • 230 ein handel für Schreiner ] Die Schreiner machten bei vielen zerbrochenen Lanzen ein gutes Geschäft.
  • 231 rhumswerd/ louable gloire ] ruhmeswert, adj. 'lobenswert'.
  • 231 Rennspis/ lance ] m. (DWB 14, 814, nur diese Stelle), 'Turnierspeer, -stange'; vgl. oben "Rennsper".
  • 234 Rennstangen/ De la lance ] Rennstange, f., 'starke Tunierlanze'.
  • 235 zerspillten/ enfonçoit ] zerspalten, reduplizierendes stv.
  • 235-236 stutzten an ain baum/ aculoit une arbre ] stutzen, v. 'anstoßen'.
  • 239 beharnischt vnd bekürißt/ armé ] beharnischen, v., 'in einen Harnisch gekleidet'; bekürissen, v., 'mit einem Küriss versehen, ausstatten'.
  • 240 Pferdgepraͤng/ de fanfarer ] Pferdegepränge, n. (DWB 13, 1684, nur diese Stelle, ohne Erklärung). Vgl. Gepränge, n. 'feierliche Pracht', "vom paradereiten" (DWB 5, 3537, Gepränge 1 h).
  • 240 trabschencken ] Trabschenken, n. nicht im DWB; lies: "trabschrencken" (?); vgl. schränken, 'kreuzweise setzen' (DWB 15, 1640, schränken 3); vgl. Ehzuchtbüchlein, "schrencket ... die füß" (530).
  • 240 libtraben ] Liebtraben, n. nicht im DWB.
  • 241 zaumdaͤnzelen ] vgl. tänzeln, v. 'im Tanze hüpfen machen', 'hin und her bewegen' (des Pferdes am Zaum).
  • 243-244 Pferddummeler vnd Roßbereuter von Ferrar/ Le voltigeur de Ferrare ] nach Steinsieck zu 81,33 "wohl allgemeine Anspielung auf italienische Kunstreiter". (??) - Lefranc II,23,90 nennt einen Kunstreiter/Zureiter Cesare Fiaschi aus Ferrara, von denen die Chroniken der Zeit berichten (ohne sie zu nennen). Vgl. Cesare Fiaschi: Trattato del modo dell'Imbrigliare, Maneggiare, & ferrare caualli diviso in tre parti. Di M. Cesare Fiaschi Gentil'huomo Ferrarese. In Vineggia, Per Francesco de Leno 1563. Erstausgabe (?) schon 1539 erschienen. - Pferdetummler, m. 'Pferdezähmer'; Rossbereiter, m. 'einer, der ein Pferd zureitet'.
  • 243 Desultorios/ zu vnnd absprüngling/ Desultoires ] lat. desultorius, adj. zu desultor, m. 'Kunstreiter' (Hinw. Nyssen); Absprüngling, m. 'equus desultorius' (DWB 1, 125, nur diese Stelle). Vgl. Zusprung, m. 'Ansprung'.
  • 249 die Glaͤn/ la lance ] Gläne, f. 'Lanze', 'Schaft'.
  • 250 das Pferd besitzen/ monter ] besitzen, v. 'auf Tieren sitzen, reiten'; 'als Reiter ein Pferd beherrschen'; 'sich im Sattel halten'.
  • 252-254 on sattel alle sprüng ... ausstehen ] ausstehen, v. 'aushalten, ertragen' (DWB 1, 985 f.); 'etw. leidend überstehen' (FWB, ausstehen 9), hier die Sprünge des Pferdes.
  • 253-254 warf die hinderste fuͤß nach den Rappen ] nach den Rappen werfen? Um den Reiter abzuwerfen, stößt das Pferd seinen Kopf ziwschen die Beine und hebt die Hinterhufe hoch in die Luft. Vgl. 'den Rappen laufen lassen, machen' (DWB 14, 116: Rappe 3).
  • 254 die staffelen hinauff ] Staffel, f. 'Stufe einer Treppe'.
  • 255 den Schonbachischen Hirtzsprung ] Die Sage vom Hirschsprung wird für mehrere Orte bezeugt: Hirschsprung bei Buchenbach im Höllental (Schwarzwald), bei Dreieich etc. Es handelt sich meist um eine enge Schlucht, die von einem gejagten Hirsch übersprungen worden sein soll. Vgl. Erasmus Alber: Die Fabeln. Hrsg. von Wolfgang Harms, Ludger Lieb, Herfried Vögel. Tübingen: Niemeyer 1997, S. 102, V. 63 ff. ("Der Hirtzsprung"), dazu Komm. S. 322. Ein Ort oder eine Person namens Schonbach, die mit einem Hirschsprung verbunden ist, konnte nicht ermittelt werden.
  • 256 inn den Main sprengen/ die stifel zu Noͤrenberg holen ] Die Heldentaten finden sich in dem Lieddruck: Eppele von Geylingen (um 1565), hier "inn den Meyn sprengen" in Str. 21, die Stiefel zu Nürnberg holen in Str. 13-17 und 23 (Williams 1909, Nr. 124). S.o., Z. 221: "vber Eppelins haͤuwagen". Schoger (2008) erwähnt S. 13 den Sprung in den Main und S. 11 den Sprung über die Nürnberger Stadtmauer (im Lied nicht erwähnt).
  • 257 wagstück sind krigsstück/ telles choses servent à discipline militaire ] Wagestück, n. 'gefahrvolle, kühne Tat' (DWB 27, 487, mit dieser Stelle); Kriegsstück, n. 'kriegerisches Kunststück' (DWB 11, 2295, diese Stelle).

Absatz 6a

S5v

  • 261 praitbeihel ] Breitbeil, n. 'Breitaxt' (DWB 2, 358, nur diese Stelle).
  • 261 mit Boͤmischen hacken ] Haken, m. als Waffe.
  • 262 mit wurfgewehr ] Wurfgewehr, n., 'Schleuderwaffe'.
  • 263-264 Fausthaͤmmern ... Kutsen/ Knotsen ... Haͤlleparten ] Diese Waffen sind auch gemeinsam genannt bei Hadrian Junius: Nomenclator 1567, S. 303 f: "Ein hallebarten ... Reit oder fausthamer ... Kudse/ knodse". - Fausthammer, m. 'malleus bellicus',) 'Streithammer'; "Kudse, Kodse, Kolve, Club, Cudgel" (Henry Hexham Dictionarium, ofte woordenboeck [nl./engl.] 1678, Bl. Kk r), "Knodse, A Short Club" (ebd., Bl. Hh r).
  • 263 Harnischprechern ] Harnischbrecher, m. (nicht im DWB). Vgl. Panzerbrecher, m. "ein deutscher dolch zum durchbrehcen der schwachen stellen der rüstung".
  • 264 Knebelspisen ] Knebelspieß, m. 'Spieß mit einem Knebel hinter dem Eisen' (um das weitere Eindringen des Stoßes zu hindern).
  • 265 so fertig/ tant bien ] fertig, adv. 'rasch, behend'.
  • 268 passiret/ fut passé ] passieren, v. 'gelten, für etw. angesehen werden'.
  • 269 Raisspis/ picque ] Reisespieß, m. 'Kriegsspieße, welche von Reitern getragen wurden', 'hasta equitum'; Fischart: Praktik C, Vorrede, A 6 v (SW 1, S. 333,22): "wie die Landsknecht den Sammat/ mit Reisspisen vnd klaftern ausmessen".
  • 269 schranksweis (setzen) ] wie schränkweise, adv. 'schräg, kreuzweise'.
  • 270 Federspis (schießen) ] Federspieß, m. 'Spieß, daran Eisen mit langen Federn geschlagen sind'.
  • 270 maͤiet mit den fochteln/ sacquoit de l'espee ] meien, v. 'mähen'; Fochtel, f. 'Breitschwert'.
  • 271 Rapiren/ de l'espagnole ] Rapier, n. 'langer Degen'.
  • 272 durchstrich ] durchstreichen, v. 'durchschneiden'.
  • 272 stupft ] stupfen, v. 'stoßen', 'stechen'.
  • 274-275 jz mit Bucklen/ flugs mit Tartschen ... mit Rondelen ] Diese Schilde werden gemeinsam aufgezählt bei Hadrian Junius: Nomenclator (1567), S. 280: "Targe ... Ein kleine rondelle ... Bueckeleer ... Bouclier".
  • 274 Bucklen ] Buckeler, m. 'Schild', nach frz. bouclier.
  • 274 Tartschen ] Tartsche, f. 'Reiterschild'.
  • 275 mit Rondelen/ à la rondelle ] Rondell, n. frz. rondelle, Schild.
  • 275 mit Armgewundenen Maͤnteln vnd Kappen/ a la cappe ] armgewunden, adj. (DWB 1, 559, nur diese Stelle).
  • 277-284 Auch lernet vnser Gargantuischer Wolfditerich von seim Gimnastischen Hertzog Bechtung ... Bogenschisen/ Wettlauffen ] Bechtung ist der Fechtmeister Wolfdietrichs; Heldenbuch ca. 1483, Bl. [84]v: "Hie lört herczog Bechtung die iungen herren Wolfdieterich vnd die andern seine zwei brüder/ fechten/ schüssen/ springen/ ringen/ werffen/ vnd alle geschicklicheit zů kempffen vnd zů streiten in yeglicher gewöre." S. auch unten, Z. 290: "Bechtungisch Messerwerffen".
  • 279 zu bestehen ] bestehen, v. 'standhalten'; 'es mit jm. aufnehmen'.
  • 281 die Stein zuschlingenwerfen/das Stalschisen ] schlingenwerfen, v. 'mit einer Schlinge schleudern' (nicht im DWB); mit dem Stahl (die Steine?) schießen: vgl. Stahl, 'stählerner Bogen einer Armbrust'; Schießstahl, m. 'Armbrust'.
  • 282-283 plaͤttelen/ Raͤdelen/ Ritschen auf den Reutschuhen ] plätteln, v. 'mit flachen Steinen oder kleinen eisernen Platten nach einem Ziele werfen'; rädeln, v. 'im Kreise drehen'; ritschen, v. 'rutschen' (DWB 14, 1050, mit dieser Stelle), "wol 'schlittschuhlaufen'" (ebd.); Reutschuh, 'Reitschuh' (nicht im DWB). - Vom Steineschleudern kommt Fischart über das Schlittern und Rutschen (auf dem Eis) unversehens zur Schneeballschlacht.
  • 285-286 Schneballengschütz/ oͤpfelkrig ] Zusatz 1582: "wie die jungen König in Franckreich sich uͤben". - "Einst war es die Freude des französischen Adels ein Fort von Schnee zu bauen und es mit Schneebällen zu beschiessen. So kommandirte 1546, wie uns de Thou erzählt, der damalige Dauphin die Belagerungsarmee eines solchen Forts, welches auf der andern Seite Franz von Bourbon Herzog von Enghien vertheidigte." (Johann Christoph Friedrich Gutsmuths: Spiele zur Uebung und Erholung des Körpers und Geistes, für die Jugend. 3., verb. Aufl. Schnepfenthal 1802, S. 216). "König Franciscus hette sein Winterläger zu Rosche-Suryon an der Seni gelegen/ vnnd wahr dazu mahl ein sehr tieffer Schnee/ vnnd durch diese gelegenheit kamen die vornembsten iungen Edelleute mit jhrem Obersten dem Delfin/ dem Herzogen von Aumale vnd dem von S. Andrea/ vnd belägerte ein Castell daselbst/ aber Franciscus von Borbon Herr zu Anguien vertheidigte dasselbige/ nach aller Kriegsleute gebrauch." (Jacques Auguste de Thou: Historische Beschreibung deren Namhafftigsten Geistlichen und Weltlichen Geschichten. Frankfurt am Main 1621, S. 66.
  • 286 zuschwingen ] schwingen, v. 'schleudern', 'einen Schlag führen'.
  • 286 zuvertraͤhen ] verdrehen, v. (DWB 25, 241 f.), keine der angegebenen Bedeutungen passt zu dieser Stelle. Zu mhd. draejen, v. 'drehend bewegen, wirbeln' (Lexer, Mhd. WB I,457).
  • 287 zil zuschiesen ] zielschießen, v. 'schießen nach dem Ziel'.
  • 287 den Schafft zu zihen ] ziehen, v. (den Pfeil) 'spannen'.
  • 278 den Küris zuschrauben ] Vgl. Kirchhoff: Wendunmuth 1565, Nr. CLIII. Von einem Burgermeister vnd seinem Küriß: "Nach dem aber alle Schrauben vnd Band/ wie sich gehöret/ verschlossen vnd zugemacht ...".
  • 289-291 Aber daß Baderisch vnnd Bechtungisch Messerwerffen ... ließ er Sant Velten haben ] Vgl. Heldenbuch, ca. 1483, Bl. [71]r: "Hie lert Bechtung wolfdieterichen stechen fechten/ streiten werffen mit den messern/ vnd sich in harnasch waupen/ vnd alle ritterliche spil." (auf [71]v ein Holzschnitt, der eine Messerwurf-Szene darstellt). Vgl. oben, Z. 277-284: "Herzog Bechtung". - Etw. Sant Velten haben lassen: Der heil. Valentin begegnet in Verfluchungen, Verwünschungen; dies mag mit der lautlichen Nähe zur Teufelsbezeichnung "valant" zu tun haben. Vgl. "Dat di Sant Velten hâl!" (Wander: Velten *10) und die anderen bei Wander unter Velten aufgeführten Redensarten. Zur hier vorliegenden Redewendung, 'etw. oder jmdn. S. Velten haben lassen' vgl. u.a. Martinus Hayneccius: Drey newe/ schöne vnd Lustige Comoedien/ I. Almansor ... 1582, Bl. "Jch lies das ding sent velten han"; Sing-Comoedie "Höret was mich außgetrieben hat ...", Str. 41,3: "Ich ließ das Bier Sanct Velten han" (In: Spieltexte der Wanderbühne. Hrsg. von Manfred Brauneck. Bd. 2: Liebeskampff (1630). Berlin 1975, S. 410); Wolfhart Spangenberg: Salomon. In: Sämtliche Werke. Hrsg. von Andor Tarnai, András Vizekelty. Bd. 2. Berlin 1975, S. 107 (V. 324), S. 137 (V. 1054): "Ich ließ es eh Sant Velten han".
  • 289 Baderisch ] baderisch, adj. (DWB 1, 1074), zu Bader, 'Barbier'.
  • 290 scharsach schiesen ] Scharsach, n. 'Schermesser'.
  • 291 auch Fischgarnkempfen ] Fischgarn, n. 'Netz'. Eine der Kampfarten der Gladiatoren.
  • 292 oͤlgeschmirt ringen ] Die antiken Ringer wurden vor Beginn des Kampfes mit Öl eingerieben (Gerhard Löbker: Die Gymnastik der Hellenen. Münster 1835, S. 40).

Absatz 7

  • 293 lif er der barr ] bereits oben, Z. 103 unter den Freiluftspielen.
  • 293 der Aier (laufen) ] Eierlauf. Vgl. Paul Geiger, Richart Weiss: Atlas der schweizerischen Volkskunde. Atlas de Folklore suisse. Tl. II. Lfg. 2. Basel [1952], Karte II, 182 und Kommentar II, S. 170: enthält "alle spiele, die course aux œufs, jeu des œufs, Eierlauf, ... heissen"; A. P[fleger]: Der Ostereierlauf. In: Elsassland 17 (1937), S. 65 f. (Fischarts Gkl. ältestes Zeugenis).
  • 293-295 des Hirtzes ... des Fasanen/ Couroit le cerf ... le faisan ] hier wohl dem Wild nachlaufen (dazu intermittierend, konterkarierend: der Hürdenlauf, Eierlauf); "le chevreul" (Rehbock), "le dain" (Damhirsch) und "l'otarde" (Trappe) werden von F. nicht übersetzt.

S6r

  • 295 sprang der Gais ] wie eine Geiß?
  • 295-296 sprang vber das Gaͤlglin ] Hürden- oder Hindernislauf? Diminutivform nicht im DWB.
  • 296-297 Spilt des grosen Ballens/ Jouoit à la grosse balle ] Luftball, Spielball, Ballon. Vgl. Friedrich Ludwig Karl Weigand: Deutsches Wörterbuch. Bd. 1. Gießen 1878, S. 135: "bereits im 16. Jahrh. niederl. balloen".
  • 299 nicht mit trei passen ain sprung/ non a trois pas un saut ] Dreisprung; als "Springspiel" bezeichnet von Rausch 1908, S. 77.
  • 299-300 des hinkebinke knappfus/ non à cloche pied ] Hinkebink, m. 'Spottname für einen Hinkenden' (DWB 10, 1444, mit dieser Stelle: "wie es scheint, auszerhalb grammatischer fügung, in interjectionelle weise verwendet"); Knappfuß, m. (DWB 11, 1349, nur diese Stelle), zu knappen, v. 'hinken', mit dem Fuß einknicken.
  • 300-301 des Rockspringens/ Seit vnd Rucksprungs ] s. oben Z. 103: "des rucksprungs" (Schübler 1992, S. 138).
  • 301 des Boͤmischen sprungs/ non au saut d'Alemant ] Zur Ersetzung: Frantzen 1892, S. 59.
  • auf aim fus schupfen ] schupfen, v. "von einer tanzenden, hüpfenden bewegung"; als "Springspiel" bezeichnet von Rausch 1908, S. 78.
  • 305 Raifspis ] A: Raifspis; B: reiff spiß C: Reiffspiß - s. o. Z. 269: "schwang er den Raisspis/ sezt jn gerad/ sezt jn schranksweis"; Ausg. 1590 Kap. 55, S. 547: "sechs Landsknecht mit Reißspiessen". Der Druckfehler hat es im DWB zu einem eigenen Artikel gebracht: Reifspiesz, m. "darnach also eine, hier als springstock benutzte stange; wie reifstecken und reifstab unten." (DWB 14, 635, nur diese Stelle).
  • 309 getter ] Gätter, Getter, n. 'Fenstergitter'.
  • 310 die zwaͤr (schwimmen) ] Zwer, Nebenform von Zwerch, f. 'Querrichtung'.
  • ain Liechtstoͤcklin (schwimmen) ] Lichtstöcklein, n. 'kleiner Leuchter', "als name für eine besondere art des schwimmens" (DWB 12, 892, nur diese Stelle), ein dreiarmiger Leuchter, candelabrum: 'toter Mann' (?).
  • 313-317 den ainen arm vbersich streckend/ vnd ain buch darinnen tragend ... vnd zog seinen Mantel inn den zaͤnen nach/ wie Julius Cesar etwan gethan hatt/ Nageoit ... une main en l'air, en laquelle tenant un livre ... et tirant par ses dents son manteau, comme faisoit Jule Cesar ] Die Stelle entspricht genau Suetonius: De vita caesarum, Divus Julius 64: "Alexandriae ... cum desiluisset in mare, nando per ducentos passus evasit ad procimam navem, elata laeva, ne libellli quos tenebat madefierent, paludamentum mordicus trahens, ne spolio poteretur hostis." / "Zu Alexandria sprang er ins Meer; er schwamm zwei hundert Fuß, entkam zu dem nächstgelegenen Schiff und hielt dabei in seiner linken Hand stets einige Briefe (oder: ein Buch), während er seinen Mantel mit den Zähnen mitzog, um die Feinde daran zu hindern, ihn als Trophäe in die Hand zubekommem." (Übers. U.S.)
  • 319-320 hilt das Schiff mit den zaͤnen/ wie jener Griech/ da jm baide haͤnd abgehauen waren ] Iustinus: Epitoma historiarum Philippicarum : "Cynegiri quoque, militis Atheniensis, gloria magnis scriptorum laudibus celebrata est, qui post proelii innumeras caedes, cum fugientes hostes ad naves egisset, onustam navem dextra manu tenuit nec prius dimisit, quam manum amitteret; tum quoque amputata dextera navem sinistra conprehendit, quam et ipsam cum amisisset, ad postremum morsu navem detinuit. Tantam in eo virtutem fuisse, ut non tot caedibus fatigatus, non duabus manibus amissis, victus, truncus ad postremum et velut rabida fera dentibus dimicaverit." / "„Die Hystorien schreiber preisen auch vber auß die mannheyt Cinegri des Ritterlichen mans von Athen/ Nemlich als der selbig nach dem feldstreyt inn der flucht zů den schiffen vnzalbare feynde erschlagen/ hat er ein volls wolgeladens schiff mit seiner rechten hand ergriffen/ vnd das nit von statt lassen wöllen/ vntz jm die hand am schiff abgehawen/ daraff ward dasselb schiff mit seiner lincken hand ergriffen/ Da jm nu die selbig auch abgeschlagen/ ist er mitt den zenen daran gefallen/ vnd hat dz auff gehalten“", Justinus: Warhafftige Hystorien. Dt. von Hieronymus Boner (1531), Bl. X v.
  • 322 spilt des Tauchentlins ] Tauchente, f. dim. Tauchentlin, 'Taucherente'; hier gemeint das 'Entenschwimmen' (?).
  • 323 darunter (holen) ] darunter, adv. 'unterdessen'.
  • 324 Floz ] Flotz, m. 'Floß'.
  • 324 auf dem Dilen ] Diele, f., auch swm., 'Brett'.
  • 325 bürzelt vmb ] burzeln, bürzeln, v. 'purzeln'.
  • 326 mur ] Mur, n. 'Sumpf, Moor'.

S6v

  • 329 gestad ] Gestade, n. 'Ufer'.
  • 329 hilt den Hausrat ] (Metapher); vgl. "hausrat verblümt für penis" (DWB 10, 696); 'Penis'. D.h. er uriniert am Ufer.
  • 330-332 Darnach wider vber sein Schiff/ welchs der Fischer da anhing/ auf das des Müllers Esel drein ging/ Puis iceluy basteau ] Der juristische Streitfall De asino et navicula wurde nach Melanchthons Lobrede auf das Recht breit rezipiert. S. Philipp Melanchthon: De legibus oratio. Ed. Theodor Muther. Weimar 1869, hier S. 39 f. „Solebat apud nos [apud Tubigenses] doctus quispiam homo istorum ineptias festiuo commento ridere. Non procul oppido quodam, aiebat [doctus homo apud Tubingenses], ad flumen pistrinum, ex quo cum non ita multo ante aquatum asinus descendisset, cum in extrema ripa seu lutulenta seu tenuior aqua flueret, quam ut os imbuere posset, in proximam cymbam forte pergit, unde uberiorem iusti amnis aquam hauriret. Porro cum inscendisset nauiculam, impetu detorquet a ripa in medium flumen, quo cum esset excepta, secundis uentis in scopulum defertur. Hic postquam impegit, fracta est, et imperitus ille Nauclerus in undis perijt. Doluit molitori ubi rem resciuit iactura et piscatorem in ius uocat, damnum dedisse accusat, quod ejus nauigio iumentum auectum sit. Contra ille factam ab asino pauperiem seque damnum accepisse exclamat, quod nauigium amiserit, in flumen ab asino impulsum. Vtrinque acerrime a conductitijs rabulis certatum est ...”; “Vom Esel und Kahn. Ein gelehrter Mann pflegte bei uns die Abstrusitäten der Formaljuristen mit einem witzigen Einfall lächerlich zu machen. Unweit einer Stadt, sagte er, befand sich am Fluß eine Mühle, aus der, da es dort nicht gerade reichlich zu trinken gab, ein Esel weggelaufen war. Weil nun aber das Wasser am Uferrand entweder schmutzig oder zu seicht war, als daß er sein Maul hätte hineintauchen können, kletterte er kurz entschlossen auf den nächsten Kahn, um von dort aus der offenen Flut besser seinen Durst zu stillen. Als er nun aber mit großem Ungestüm den Kahn bestiegen hatte, löste sich dieser vom Ufer und geriet in die Mitte der Strömung, von wo er, den Winden hilflos preisgegeben, einer Felsenklippe zugetrieben wurde. Gegen diese geschleudert, kenterte er, und der unerfahrene Schiffer kam in den Fluten um. Den Müller schmerzte der Verlust, als er die Sache erfuhr; er zog den Fischer zur Verantwortung und erhob Klage gegen ihn, weil ihm in dessen Boot sein Lasttier weggeführt worden sei. Jener hingegen rief aus, er sei durch den Esel arm gemacht worden, und weil ihm das von dem Esel in den Fluß gestoßene Boot verlorengegangen sei, habe der andere die Schuldzuweisung zu akzeptieren. Zugunsten beider Seiten wurde von den beauftragten Anwälten auf das heftigste gestritten ...” (Lat. Text u. Übersetzung bei Adalbert Elschenbroich: Die deutsche und lat. Fabel in der Frühen Neuzeit. 1990, S. 271-273).
  • 333 schalt es/ regirets ] schalten, v. ein Schiff 'bewegen', 'fortstoßen'; regieren, v. 'lenken, steuern'.
  • 339 affenspil ] Affenspiel, n. 'Narrenwerk, Gaukelwerk'.
  • 339-340 stelt den Saͤzbaͤren ] Setzberen, Setzberren, m. "quadratförmiges, an zwei sich kreuzenden Bogen ausgespanntes Netz" (ElsWB 2, 78; Hinw. Nyssen).
  • 340 Saillaiter/ les traicts ] nicht im DWB; vgl. Strickleiter, f.; Erstbeleg nach Fischart: Levinus Hulsius: Warhafftige Relation. Der dreyen newen, unerhörten, seltzamen Schiffart. Nürnberg 1598, S. 71: "der Jung aber steig auff die Seilleiter".
  • 342 am bort (des Schiffes) ] Bord, m. 'Rand des Schiffes'.
  • 342 auf der spitze (des Schiffes gehen) ] Spitze, f. 'Spitze eines Schiffes, Schnabel'.
  • 342-343 wickelt vnd wackelt: iustirt vnd richtet den moͤrquadrant ] wickeln, v. 'wackeln'; justieren, v. 'richtig machen', 'einrichten, ausrichten'; Meerquadrant, m. nicht im DWB; vgl. Quadrant, m. 'Winkelmesser'.
  • 345 nachsteuerruder/ gouvernail ] nicht im DWB; vgl. nachsteuern, v. "mit hilfe des steuerruders nachschiffen, nd. naastuuren, (zu schiffe) nachsenden" (DWB 13, 140).
  • 347 hett also sein flechten vnd fechten ] diese Doppelformel ist sonst nicht belegt.

/ Absatz 8

  • 348 inn alle macht/ roidement ] in alle Macht, 'mit, aus aller Macht, ganzer Macht'.
  • 352 schlug die grose aͤst herab wie ain anderer Milo/ abbatoit les gros rameaux comme un aultre Milo ] Aulus Gellius XV, xvi berichtet über das Ende des Athleten Milo von Croton: Nach Beendigung seiner Karriere reiste er durch Italien. Abseits der Straße sah er eine von Keilen gespaltene Eiche, an der er sich erproben wollte, ob er noch über die alte Stärke verfügte. Er konnte sie in der Mitte außeinander reißen, doch als er nachließ, klemmte der Baum seine Hände ein und hielt ihn gefangen. Schutzlos war er den wilden Tieren ausgeliefert, die ihn in Stücke rissen. Die ausführlichste Schilderung aller Proben seiner Stärke und sein Ende bietet Pausanias VI,14,5-8: er wurde anschließend von Wölfen gefressen.
  • 353 Mailaͤndischen Schweizertoͤlchlin/ poignars asserez ] Schweizerdolch und Schweizerdegen sind erkennbar an der besonderen Griffform mit halbmondförmig gebogener Parierstange und Knauf. Warum aber kommen die Schweizerdolche aus Mailand? Vgl. zum Diminiutiv von Dolch Gkl. 1590, Kap. 5, S. 125: "hencken jhnen [den Kindern] Toͤlchlin an".
    • Lit.: Hugo Schneider: Der Schweizerdolch. Waffen- und kulturgeschichtliche Entwicklung mit vollständiger Dokumentation der bekannten Originale und Kopien. Orell Füssli, Zürich 1977;
  • 354 wolgestahelten Reuterboͤcken/ poinsons esprouvez ] gestählt, part. adj. zu stählen, v. 'in Stahl und Eisen gehüllt'; Reiterbock nicht im DWB; Reiter, m. 'spanische Reiter', "grosze balken, durch welche spitze mit eisen beschlagene pfähle gesteckt sind, deren je zwei ein schiefes kreuz mit einander bilden" (DWB 14, 780, Reiter g); Bock, m. 'hölzernes Gestell'.
  • 354-355 klemmet er zum hoͤchsten haus hinauf/ montoit au hault d'une maison ] klemmen, Nebenf. von klimmen, v. 'klettern'.
  • 357 gleichwagung ] Gleichwagung, f. 'Erhaltung des (körperlichen) Gleichgewichtes' (DWB 7, 8260, mit diese Stelle: Erstbeleg).
  • 358 fussaz ] Fußsatz, m. "ein satz den man mit den füszen macht" (DWB 4, 1040, nur diese Stelle).
  • 360 Englisch Beihel ] Wurfaxt; L[udwig] Lindenschmit: Handbuch der deutschen Alterthumskunde. Tl. 1. Braunschweig: Vieweg 1880-1889, S. 189-204 ("Das Beil"), hier S. 204: "Eine Andeutung, dass die Wurfaxt in England länger im Gebrauche blieb, erhalten wir durch Fischart (Gargantua), welcher diese Waffe als englisch bezeichnet".
  • 360 schlenkert den Spis/ Jettoit le dart ] schlenkern, v. 'mit der Schlenker, der Schleuder werfen', 'schleudern'.

S7r

  • 362 warf haken an ] 'warf Enterhaken aus' (das Wort Enterhaken ist erst seit dem 18. Jh. belegt).
  • 363 warf mit bengelin nach der Gans ] Benglein, n. 'kleiner Bengel, Knüppel'. Das Werfen und Schleudern von Speeren und Balken wird von Fischart hier unterlaufen durch das unsportliche Vertreiben einer Gans.
  • 363-364 heftet auf Saulisch den Spis ] 1 Sam 18,10-11: "Vnd Saul hatte einen Spies in der Hand/ vnd schos jn/ vnd gedacht/ Jch will Dauid an die wand spiessen." (auch 19,9-10); 1 Sam 20,33: "Da schos Saul den spies nach jm/ das er jn spiesset."
  • 364 dartet den Sparren/ Schos zum zweck ] darden, v. frz. darder, 'werfen' (DWB 2, 770, nur diese Stelle); vgl. Dard, m. 'Wurfspieß'; Sparren, m. 'Stange'; Zweck, m. der Pflock oder Nagel in der Mitte der Zielscheibe (vgl. DWB 32, 956 f.: Zweck B ).
  • 366 ketschet ] ketschen, v. 'schleppen, mit Mühe ziehen'.
  • 366-367 das er sich buckt wie Simon vnter dem Kreuz ] Mt 27,32: "Vnd in dem ... funden sie einen Menschen von Kyrene/ mit namen Simon/ den zwungen sie/ das er jm sein Creutz trug." (Mc 15,21; Lc 23,26). Auch mit diesem Beispiel unterläuft Fischart den sportlichen Aspekt der Übungen Gargantuas. Ein Nebensinn ergibt sich vielleicht aus der zeitgenössischen Bezeichnung "Sieman" für einen von der Ehefrau unterjochten Mann. Das Kreuz Simons wäre dann die Ehe.
  • 367-368 die Giganten da sie die berg auf ainander sezten ] Die Giganten sind die zweite Generation der Söhne der Gaia, die sie gegen Zeus und die Götter in den Krieg schickte (Gigantomachie) "so schleppeten sie die Berge Oeia, Pangäus, Athon, Ossa, Rhodope und andere zusammen, und suchten damit, auf denselben dem Himmel näher zu kommen." (Hederich, Sp. 1153). Ausführlich bei Claud.: Gig. (Shorter Poems LII: Battle of the Giants. In: LCL 136, S. 280-291); vgl. Ov.: met. I, 151 ff. ("altaqu congestos struxisse ad sidera montes"; "türmten Berge zuhauf empor zu den hohen Gestirnen"; Übers. Erich Rösch).
  • 368-369 stis den stain/ vil schwaͤrer als den Turnus dem Aenea nachwurf ] Aus dem Schluss der Aeneis, dem Kampf von Turnus und Aeneas. Vergil: Aen. XII,897-901: "nec plura effatus saxum circumspicit ingens, | saxum antiquom ingens, campo qui forte iacebat | limes agro positus, litem ut discerneret arvis. | vix illud lecti bis sex cervice subirent. |qualia nunc hominum producit corpora tellus: | ille manu raptum trepida torquebat in hostem"; Turnus "Sprach nicht weiter und sah sich um nach riesigem Blocke, riesigem, alten Block, der zufällig im Gefild als Grenzstein der Feldmark gesetzt, den Streit um die Flur zu entscheiden. Kaum brächten zwölf mit dem Nacken ihn hoch, erlesen aus allen Männern, wie jetzt sie an Körperkraft die Erde hervorbringt. Turnus packte ihn hastig und schwang ihn wider den Gegner." (Übers. J. Götte).
  • 370 haͤtschirt mit der Hallenpart/ (jettoit) la halebarde ] hätschieren, v. "ein hatschier thun" (DWB 10, 559, nur diese Stelle); vgl. Hatschier, m. ital. arciero, 'Leibwächter, Spießgeselle'; mit der Hellebarde bewaffnet Wache stehen. F. übergeht "la javeline, l'espieu" (Halbpike/Wurfspieß und (Sau-)Spieß).
  • 371-372 von ... sperriger hand ] sperrig, adj. 'gespreizt, von der Hand'.
  • 372-373 krümmet den Türkischen Flitschbogen/ enfonçoit l'arc ] Flitschboge, m. 'Flitzebogen'; Kurzbogen, mit dem man Pfeile (Flitschen) verschießt. - Vgl. Franck: Germaniae Chronicon. Augsburg 1538, Bl. . CXXXVIv: (die Türken) "schussen täglich vil hundert flitschen" (in das Heer der Kreuzfahrer); Franck: Chronica 1536, S. cclxxxiij über die Belagerung von Wien 1529 durch die Türken: "vil manch tausent flitschen pfeyl schussen sie in die statt". S. u. Kap. 39, S. 455: "so dick in einander wie die Tuͤrcken Flitschē/ daß er kein Himmel sahe/ vnnd jhm den Lufft verschlug Atham zu schoͤpffen".
  • 374 Bürstbüchsen/ arquebouse ] Birschbüchse, Bürschbüchse, f. 'Jagdbüchse' (auf der Pirschjagd).
  • 375 Toppelhaken ] Doppelhaken, m. "ein schweres schieszgewehr das beim abfeuern aufgelegt wird"; 'Hakenbüchse', 'Doppelbüchse', frz. arquebuse à croc (DWB 2, 1264); 'aufbockbares schweres Gewehr'. - Vgl. Ordenliche Beschreibung 1588, S. 16: Bei dem Straßburger Empfang für die Verbündeten wurde "auff dem Schießrein mit Doppelhacken gewaltig biß nahe inn die nacht geschossen"; "der Doppelhaken, ein großes Rohr, das auf einem bockartigen Gestelle befestigt war, welches vorn zwei Räder hatte ... Das Rohr ruhte in einer Gabel und konnte so mit Leichtigkeit in beliebiger Richtung bewegt werden" (Gustav Friedrich Klemm: Allgemeine Culturwissenschaft: Werkzeuge und Waffen. Leipzig 1854, S. 353).
  • 375 Eßlingische Handror ] Handrohr, n. 'Handbüchse', kleine Feuerwaffe; Handrohre wurden aus Bronze gegossen und konnten von einem einzelnen Mann getragen werden. Geschossen wurde mit Bleikugeln von ca. 3-4 cm Durchmesser. In Esslingen war der Geschützgießer Lienhard Seidler tätig (Erich Egg: Der Tiroler Geschützguss 1400-1600. Innsbruck: Wagner 1962, S. 111); vgl. Otto Wurster: Esslinger Heimatbuch. Esslingen 1931, S. 139 über den Glocken- und Büchsengießer Pantlion (Pantaleon) Sydler; die Handrohre taufte er "Narrenkopf".
  • 376 Gasconische Musceten ] Muskete, f. (lat. sclopetum), Hand-Gewehr mit langem Lauf, das Kugeln größeren Kalibers abfeuern kann; wird mit einer Lunte, nicht mit dem Feuerstein gezündet (Zedler 22, 1492). Die französische Provinz Gascogne stellte im 16. und 17. Jahrhundert zahlreiche Söldner und Musquetiers (Musketenschützen). "Jns besonder ist von denen Gasconiern zusagen, daß sie treffliche Soldaten, und von guter Courage sind, auch viel vertragen können." (Zedler 10, 371).
  • 376 Hispanische Muscatnuß auff gaͤbelen ] Muscatnuß: Verballhornung für Muskete. "Spanische Flinten, sind die vornehmsten, und besonders wohl gemacht" (Zedler 38, 1166). Schwere Vorderlader, die auf eine Gabel gelehnt abgefeuert wurden. Vgl. Art. Musketen-Gabel, frz. fourchette (Zedler 22, 1493).
  • 381 mit toppelem lot ] Lot,n. 'Stück Blei, Gewicht', hier als Geschoss.
  • 381 mit trippeler ladung ] tripel, adj. frz. triple, 'dreifach'; Ladung, f. hier in Bezug auf Feuerwaffen, mit dreifacher Menge an Pulver.
  • 382 Ladpulver ] Ladpulfer, n. "schieszpulver für die eigentliche ladung, im gegensatz des zündpulvers, das gewöhnlich auf die pfanne geschüttet wird" (DWB 12, 53, nur diese Stelle).
  • 384 nach des Daumens absehen ] 'über den Daumen gepeilt' (DWB 2, 845 f. mit dieser Stelle; ohne Erklärung); absehen, v. 'abschätzendes, messendes Sehen' (²DWB 1, Sp. 909: absehen 1, mit dieser Stelle).
  • 385-386 die Neuner hettens jm auch zugesprochen ] Neuner, m., Pl. 'ein aus neun Mitgliedern bestehendes Collegium, Schiedsgericht' (DWB 13, 681, mit dieser Stelle); "besonders die neun sachverständigen schiedsrichter beim scheibenschieszen" (ebd.).
  • 386 schlug bald an ] anschlagen, v. '(eine Waffe beim Schießen an die Wange) anlegen'; den Schuss vorbreiten; s. Anschlag, m. "Das gewehr, die armbrust, flinte wird, um zu zielen, an die wange geschlagen, gehalten, angelegt, und anschlag heiszt sowol der angelegte theil des gewehrs selbst, als vorzüglich das zielen" (DWB 1, 440 f.); 'Anlegen einer Waffe an die Wange zum Zweck sicheren Schießens'.
  • 386-387 baut nicht lang ] bauen, v. 'Zielen, Richten beim Abschießen' (DWB 1, 1174: bauen 4 k, nur diese Stelle); 'behutsam zielen (mit der Waffe)'; Balthasar Han: Außred aller Schützen (hrsg. von Wassmanndorff 1887; s. unten S. 351: "Jm stechen verlor ers nimmer"), V. 126 ("Der Erst, der hat zuuil gebawt"), hierzu S. 20, Anm. 17 ("zu lange im Anschlag liegen ... so daß das Armzittern ... den Schuß unsicher macht") u. V. 472 ("Es will Jm manicher selbs nicht trauen, | So Er thut an dem anschlag Pawen"); Grob 1603, S. [15], Nr. 48: "Es wil jhm mancher selbs nit trawen/ deß thut er an dem anschlag bawen". Mit der Armbrust wurde freihändig geschossen, "auffrecht mit freyem schwebenden arme", die Säule durfte nicht die Achsel und der "Schlüssel" nicht die Brust berühren (Wassmannsdorff 1887, S. XIX, nach einem gedruckten Münchner Schützenbrief von 1485).
  • 387 acht nicht das aͤrmelpopperle ] Er beachtete den Kobold/das Zittern im Ärmel nicht. 'Poperle', das Zittern, Tremor.
  • 387-388 truckt schnell ab ] abdrucken, v. 'abschießen (durch Loslassen der gespannten Schießvorrichtung)'.
  • 388 hub nicht viel ab ] Han: Außred, V. 185: "ainer hat zuuil abgehaben"; abheben, v. "in der schützensprache": 'eine Flinte, mit der man gezielt hat, nicht mehr angelegt halten' (²DWB 1, 379 f. nach dem Schweiz. Id. 2, 891: abheben 1 e, es folgt diese Stelle).
  • 388 kont das Geschoß wol stechen ] stechen, v. das Spannen des Stechschlosses durch leises Andrücken des Stechers.
  • 389 trang den anschlag nicht zu vil ] Han: Außred, V. 193: "Einer hat den anschlag trungen" (übereilt, zu hastig ausgeführt); dringen, v. 'zwingen, erzwingen'; Anschlag, 'Vorbereitung zum Abschießen' (s. o. "schlug bald an"); "schießposition einer waffe, auch schießbereite stellung eines schützen" (²DWB 2, 1286, Anschlag 5 a); 'Anlegen einer Waffe an die Wange zum Zweck sicheren Schießens', 'der Teil des Büchsenschaftes, der an die Wange angelegt wird' (FWB 1, 1404, Anschlag 3; dort wird auch zitiert Brant: Narrenschiff 75,11: "Vnd duͤg syn anschlag nit zuͤr yl".
  • 389 hilt recht aus ] Han: Außred V. 194, V. 194: "Einer hat zuuill ghallten aus" (zu lange mit dem Anschlag gewartet).
  • 390 verwart das Treff ] verwahren, v. 'sichern'; Treff, m. n. 'Ziel', oder 'Korn' "oder eine andere zielvorrichtung am gewehr" (DWB 21, 1581: Treff 2c, mit dieser Stelle); vgl. tref, m.n. 'Hieb', 'Schlag' (LEXER II, 1500); S. unten, S. 351: "oder der Treff nicht recht kam" (Endstück am Bolz); Han: Außred V. 201: "Der achtet [achte] thet dz treff nicht verwarn".
  • 391 Feldgeschüz/ le canon ] n. 'tormenta bellica' (DWB 3, 1483, ohne Beleg); '(leichte) Artilleriewaffe'(²DWB 9, 314).
  • 391 nach dem Zweckvogel/ à la butte ] m. (DWB 32, 969, nur diese Stelle, ohne Erklärung); ein mit dem Zweck (Nagel, Pflock) befestigter hölzerner Vogel als Ziel für die Schützen. Vgl. Vogelschießen.
  • hindersich wie die Parthen/ en arriere, comme les Parthes (schießen) ] Nicht erklärt bei Lefranc, Defaux und Huchon. - Die Kriegslist der Parther, bei der Flucht mit ihren Bögen auf die Verfolger Pfeile abzuschießen, scheint allgemein bekannt gewesen zu sein. Vgl. Plutarch: Crassus XXIV "Denn die Parther schossen (ihre Pfeile), als sie flohen und außer den Skythen machen sie das am wirksamsten; und es ist eine sehr schlaue Sache, im Kampf noch Sicherheit zu suchen und die Schande von der Flucht zu nehmen." (Übers. nach Bernadotte Perrin; LCL 65, 389). Horaz: Oden II,13,17 f.: "miles [timet] sagittas et celerem fugam Parthi"; "der Soldat fürchtet die Pfeile der Parther und ihren schnellen Rückzug" (Übers. U.S.); Seneca d.J.: Oedipus 118 f.: "vidit et versas equitis sagittas, terga fallacis metuenda Parthi"; "Sie sahen die Reiter mit den zurückgeschickten Pfeilen, die gefährlichen Rücken der listigen Parther" (Übers. nach John G. Fitch; LCL 78,43); Stat.: Theb. 6, 596 f.: "credas e plebe Cydonum Parthorumque fuga totidem exsiluisse sagittas"; "Du könntest denken, dass so viele Pfeile aus einer cydonischen (kretischen) Menge oder aus einer Flucht von Parthern entsprungen sind." (Übers. nach D.R. Shackleton Bailey; LCL 207, 370, mit der Anm. "Shooting behind them as they retreated"); Val. Fl.: Argonautica VI, 697: "nunc fuga conversas spargit mentita sagittas"; "dann in vorgetäuschter Flucht streut er sich umkehrend Pfeile aus" (Übers. nach J. H. Mozley; LCL 286, 352).
  • 394 nach dem hoͤltzenen Zweckman ] etwas ähnliches wie der Zweckvogel, ein "Pappkamerad"? (Dieses Wort kam erst in den 30er Jahren des 20. Jhs. in Gebrauch; nicht im DWB).
  • 394 nach dem kopf vnd Laz ] wohl genauere Zielangaben auf dem "Zweckmann"; Latz, m., Hosenklappe oder -kapsel.

S7v

  • 395 Zündrut ] Zündrute, f. 'Stange, an deren Spitze eine glühende Lunte angebracht war'.
  • 396 Zündlunten ] Zündlunte, f. 'Zündschnur'.
  • 396-396 da waren kain Faͤler/ eitel Treffer/ es war im rechten Berg oder versůchrein ] Vgl. Balthasar Han: Außred aller Schützen (s. unten, Z. 402: Jm stechen verlor ers nimmer), V. 61-66: "Ich hört da einen herfür brechen, | der thet all sein schüss wol treffen | Im versuech reyen, wie er was gestelt; | Im Rechten wz er gar gefelt: | Der versuech reyen hat mich betrogen, | Oder hat der Rechte Bergk gelogen." (Hinw. Schaer 1903, S. 34). Um sich für den rechten Berg (das gezählte Wettschießen) einzuschießen, wurde im Versuchrain ein Probeziel aufgestellt; "die Treffer auf dieser Scheibe wurden natürlich nicht in Rechnung gebracht" (Wassmanndorff 1887, S. 20, Anm. 7).
  • 397 im rechten Berg ] der rechte Berg (Rain), vom aufgeworfenen Erdhügel, später Lehmwand hinter dem Ziel (vgl. Wassmannsdorff 1887, S. XXXIII: "Die Wand selbst, die auch Berg, Rain, Bruch, ferner Bachen ... genannt wird").
  • 397 versůchrein ] neben dem Schießrain (DWB 15, 51) oder Armbrustrain (DWB 1, 557) gab es den Versuchrain: ein abgegrenzter Raum für Probeschüsse (vgl. Wassmannsdorff 1887, S. XXXIII f. ).
  • 397 on quadrant ] Quadrant, m. eigentl. 'Viertelkreis', lat. quadrans, 'Viertel', hier Zielvorrichtung der Armbrust, ein auf dem Schaft "beweglich angebrachter Diopter [Visiereinrichtung] mit zwei rechtwinklig sich schneidenden Haaren" (Wassmannsdorff 1887, S. XXIX; diese Bedeutungsangabe nicht im DFWB 3, 3). Han: Außred, V. 196: "Der Dritt hat den Quadrant verlorn".
  • 398 on sattelschlagen ] Sattelschlagen, n. (DWB 14, 1828, nur diese Stelle, ohne Erklärung). "Am oberen Teile der Armbrust-Säule befindet sich der Sattel. Er kreuzt dieselbe und hat eine halbkreisrunde Aushöhlung für den Oberteil des Bolzens." (Wassmannsdorff 1887, S. XXV); Han: Außred, V. 128: "Der viert hatt den Sattel gschlagen" und V. 210: "Dem dritten schlug der Sattel zu sehr".
  • 398-399 kain Poͤlz gingen vberzwaͤr ] überzwerch, adv. 'überquer', 'in die Kreuz und Quer'; 'in die Quere, abseits'; Han: Außred, V. 211: "Dem vierten gienng der Poltz die zwer".
  • 399 sie pfiffen dan/ oder waren jm versehrt vnd zerschossen ] pfeifen, v. "von etwas durch die luft sausendem" (DWB 13, 1648: pfeifen 6e); Han: Außred, V. 108: "Mein Poltz, den hat man mir zerschossen".
  • 400 trugen zu weit auf die seit ] Han: Außred, V. 237: "Der hat Jn weit auf die Seitten tragen".
  • 401 man schwang jm nimmer die gaͤrten ] "Der Zieler deutet mit dem Hin- und Herschwingen seiner Gerte (Zeigrute) das Fehlen der ganzen Schieß-Wand an" (Wassmannsdorf 1887, S. IX, Anm. z. St.)
  • 401-402 sie waren all aufschreibens werd ] Bei den Schützenfesten wurde penibel Buch geführt, nicht nur über die gemeldetetn Schützen, ihre erzielten Treffer und Fehlschüsse, auch musste jeder Bolz einzeln registriert werden (vgl. Wassmannsdorff 1887, S. XVIII ff.).
  • 402-442 Jm stechen verlor ers nimmer, es wer dan die senn zerstochen, verruckt oder zerprochen ... oder het den schuß verschufft: oder hets auff die büchsen trufft ] Der hier folgende Einschub Fischarts besteht aus einer Aufzählung sogenannter Schützen-Ausreden. Bei den beliebten Schützen-Treffen wurde entweder mit der Armbrust oder der Büchse auf eine Zielscheibe oder einen Vogel geschossen. Es gibt zahlreiche Übereinstimmungen dieser Liste mit handschriftlich überlieferten Schützen-Ausreden anderer Autoren, jedoch ist die unmittelbare Quelle Fischarts für diese Passage nicht bekannt. Vgl. Wacker, Liste 43: "Reihe von Ausreden wegen versagender oder schlechter Schüsse". Nach Hauffen 1908, S. 282 erweitert aus Sebastian Brant: Narrenschiff. Basel 1494, Kap. 75: "Von bosen schutzen" (unzutreffend: keine Übereinstimmungen, außer im Thema); Zarncke (1854) druckt S. 419 die Stelle aus der Gkl. vollständig ab. - Zu den zahlreichen Ausreden des Schützen, nicht getroffen zu haben, vgl. Lucas Osiander: Abfertigung Der vermeindten Replic Christophori Rosenbusches/ Jesuiters. Tübingen 1587, S. 10: "Da er jme dann (wie man im Sprichwort sagt) siben vnd sibentzig außreden (wie ein Armbrustschitz) bevor behelt". - Nur in Handschriften überliefert ist ein Gedicht von Balthasar Han (1505-1578), Bürger zu Frankfurt; s. Balthasar Han's Ausreden der Armbrust- und Büchsenschützen. Aus einer Handschrift des 16. Jahrhunderts hrsg. von Karl Wassmannsdorff. Heidelberg: K. Groos 1887, nach der Hs. Wolfenbüttel, HAB Cod. Guelf. 1.2.1.Aug.2°, Bl. 224r-237v; eine weitere Hs. in Erlangen UB, Ms. 1620, Bl. 186r-195v (geschrieben um 1570/77 in Augsburg). Wassmannsdorff druckt die Stelle aus der Gkl. (S. VIII-X) ab mit Verweisen auf die Verszahlen bei Han. Wassmannsdorf vermutet (wohl zu recht), dass Fischart das 548 Verse umfassende Gedicht aus einem (verlorenen) Druck kannte, der nach 1560 und vor 1568 erschienen sein dürfte. Das Gedicht von Han ist wiederum etwas verändert und erweitert für den Druck aufbereitet worden von Hans Heinrich Grob: Ein Lobspruch der Schützen Darinnen die außreden/ vnd fürwort der loblichen Büchsenschützen. [Holzschnittvon Tobias Stimmer (?)] [Zürich:] Rudolf Weissenbach 1603 [[1]]. Neudruck Zürich: Orell 1854; zuvor in ZfdA 3 (1843), S. 239-266.
  • 402 Jm stechen verlor ers nimmer ] das Stechen verlieren: "wenn zwei schützen, welche beim scheibenschieszen gleichen erfolg gehabt haben, mit einem letzten schusz stechen, d.h. eine endgültige entscheidung herbeiführen; ein ausdruck der vom stechen um den preis beim turnier entlehnt ist" (DWB 17, 1267: stechen 18b).
  • 403 es wer dann die Senn zerstochen/ verruckt oder zerprochen ] Bricht die Sehne, kann ein Nachschuss gewährt werden (Wassmannsdorff 1887, S. XIX u. XXI).
  • oder das Schloß hett gelasen ] lassen, v. von Dingen, die nicht zu halten sind, "die armbrust läszt, wenn die sehne weicht und daher das geschosz davon fliegt" (DWB 12, 213: lassen 2), unvermutet 'losgehen'.
  • 407 oder der Stand war vneben ] vgl. Schießstand, m. "der abgesteckte platz, wo der schütze beim scheiben- oder vogelschieszen steht" (DWB 15, 52).
  • 408 oder hett was vmb das Jnbain geben ] Inbein, n. (DWB 10, 2104, diese Stelle, ohne Erklärung). Möglicherweise ein inneres Teilstück des Schlosses aus Bein (Knochen) geschnitzt (Gegenstück zum Zünglein).
  • 411 oder die Nuß war zu klain ] Nuss, f. "eine rundlich ausgehöhlte kerbe in einem beweglichen stück eisen (dem kern), worin die gespannte sehne ruht und mittels eines die nusz zurück ziehenden drückers losgeschnellt wird" (DWB 13, 1014: Nuss II 1). Teil des Abzugsschlosses der Armbrust, in welchen beim Spannen die Sehne gezogen wird. Die Nuss ist mit einer Kimme oder Kerbe versehen, in der das untere Ende des Bolzens ruht (Wassmannsdorff 1887, S. XXVII; Hinw. Barthold (1847), S. 175).
  • 414 oder die Wind wer vberrungen ] Winde, f. Vorrichtung zum Drehen, Spannen der Armbrust. - überringen, v. die Winde 'im Übermaß spannen', nicht im DWB; vgl. ringen, v. 'winden, zusammendrehen'.
  • 414 oder das Bain abgesprungen ] Aus Knochen (Bein) sind mehrere Teile der Armbrust gefertigt: Nuss, Zünglein, Treff u.a.; vgl. Barthold (1847), S. 175.
  • 416-417 oder daß schloß nicht gehangen ] Druckfehler, lies: "schloß het gehangen"; Han: Außred, V. 202: "Der Neunte hat dz schloß gehanngen"; Grob 1603, S. [14], Nr. 28: "Dem eilften war das schloß gehangen".
  • 420 oder die warz jm abschoß ] Warze, f. an Geräten, 'warzenförmiger Ansatz am Geschoß', 'Flügel'; erhöht die Treffsicherheit. Dann müsste abschießen bedeuten 'davon springen', 'abplatzend davon fliegen'; diese Bedeutungsangabe weder im DWB noch FWB.
  • 420 oder der Treff nicht recht kam ] Treff, m. n. vgl. oben, Z. 390 "verwart das treff" (dort eher 'Ziel'); hier: "scheint das untere Ende desselben zu sein, an das die losschnellende Senne anschlägt; dieses Endstück des Bolzens besteht aus einem an dem Holz des Bolzens angebrachten Stück Bein" (Wassmannsdorff 1887, S. XXX).
  • 421 oder der Windenschlupf jm entkam ] Windenschlupf, m. Seilring "an der Winde, der über das Schaftende bis zu dem durch die Säule gehenden Stahlzapfen geschoben wird, an dem er während des Spannens Halt findet" (Wassmannsdorff 1887, S. XXXII); Han: Außred, V. 218: "Dem dritten prach der windenschlupff". Zu Schlupf, m. 'Schlinge, Schleife, Strick, Schlaufe'.
  • 422 oder der Windfaden gewichen ] Die Sehne der Armbrust besteht aus einer Anzahl von 'Fäden', "um die ein 'Windfaden' geschlagen (d.h. gewickelt ...) wird", der sie zusammenhält (Wassmannsdorff 1887, S. XXV; DWB 30, 298 f).
  • 422-423 oder die Nuß entzwai gestrichen ] Beim Brechen der Nuss kann ein Nachschuss gewährt werden (Wassmannsdorff 1887, S. XIX u. XXI).
  • 423 oder der Polz hett sich gestrichen ] streichen, v. 'sich davonmachen'; 'ausreißen'.
  • 424-425 oder dz Reißbain gieng jm auf ] Reißbein, n. "beingerät an der armbrust, wahrscheinlich zum spannen der sehne" (DWB 14, 753); wohl eher nicht, sondern aus Knochen geschnitzter Teil des Schlosses; dasselbe wie das Zünglein oder zwischen demselben und der Nuss befindlich? Der Schuss löst sich dann verfrüht von selbst.
  • 426 oder das Zünglin kroch vnnd hing ] Züngelein, n. Teil des Schlossmechanismus' der Armbrust, Abzugsfeder. Mit dem Druck auf das Zünglein dreht sich die Nuss im Schloss und gibt die Sehne frei (Wassmannsdorff 1887, S. XXVIII).

S8r

  • 432 oder das gesicht verstochen ] Vgl. verstechen, v. "versagt den Dienst, wenn es dem schützen vor den augen flimmert" (DWB 25, 1636: verstechen 3 b, mit dieser Stelle).
  • 433 oder hett nicht wol gewischt ] In C: "Oder bey der Buͤchssen hat er nicht wol gewischt") - Ab hier sind die Büchsenschützenausreden aufgezählt. - Vgl. Wischer, m. "fachsprachlich. kriegstechnisch bürstenstange zum reinigen des geschützrohres und gewehrlaufs" (DWB 30, 723: Wischer 2 b).
  • 433-434 oder das pulver gepfischt ] (C: gepflitscht) - hierzu Wassmannsdorff 1887, S. 26, Anm. 71: "pfitscht; d.h. es ist abgeblitzt, ohne daß die Büchse sich entladet". Vgl. flitschen, v. 'flattern', vom Geräusch des abgeschossenen Pfeils, "Flitsche"; pfitschen, v. 'aufjucken, verpuffen'.
  • 434 oder jn verwagt ] verwagen, v. 'verwackeln'.
  • 435 oder den filz versaumt ] Der Filz wurde vermutlich zum Reinigen des Laufs oder Zündlochs verwendet.
  • 436-437 oder das futertuch zuleicht ] Futtertuch, n. 'ein Tuch etwas hineinzuschlagen' (DWB 4, 1097: Futtertuch 2; nur diese Stelle). Gemeint ist ein besonders leichtes, feines Tuch zum Reinigen der Kugeln, vgl. die im FWB unter Pfund 1 zitierte Stelle aus Baumann, Bauernkr. Rotenb. : "kain leychter tuch ... ausgenomen futertuch weys". Ist das Tuch zu leicht, wird die Kugel nicht genug gereinigt, ist es zu grob, wird die Kugel nicht glatt genug poliert.
  • 438 oder daß schloß war verruͤrt ] verrühren, v. 'verschieben, in falsche Lage kommen'.
  • 440 oder faͤlt schmaͤr/ das ist gut Wein ] Es fehlt an Schmiermittel, d.h. Wein für den Schützen; vgl. Han: Außred, V. 498: "der annder het zuuill des Wein" und V. 504: "Der annder hat vergessen dz Schmer"; Grob 1603, S. [15], Nr. 68: "Der zwölft hat zuvil gladen weyn" und S. [16], Nr. 75: "der selb vergessen hatt das schmer". Fischart verbindet beides: zu wenig Fett (um die Kugeln zu schmieren) und ein wenig Wein (um die Gurgel des Schützen zu schmieren).
  • 440-442 oder den Schuß verschupft ] verschupfen, v. 'verdrehen'.
  • 443-444 der sagt jm hinwider solcher faulen außreden muͤsig zustahn ] Vgl. Han: Ausreden (s.o.).
  • 445-446 wan der Jaͤger komt vnd sagt. Wer das nicht gewesen/ so pringt er kainen Hasen ] "Wann der Jäger sagt: 'Wann das nicht gewesen wer', so bringt er kein Hasen heim." (Wander: Jäger 70); wohl von Fischart.
  • 447-452 wie kain kunst ist ... mit aim boͤsen Weib/ leben ohn keib ] (Ein Priamel). Wander: Ding 1148 (ohne Nachweis) und Wander: Kunst 69 (mit Nachweis); nicht bei Gerke.
  • 452-453 (mit) geschraubten Büchsen wol schisen ] Diese Stelle zitiert bei Winfried E. Tittmann: Die Nürnberger Handfeuerwaffen (2018), S. 261 f.; s.o. S. 352. Die Innovation des gezogenen Laufs erlaubte eine besonders präzise Geschossführung und wurde daher bei manchen Schützentreffen als unerlaubter Vorteil verboten.
  • 456 faule schnacken ] faule Ausreden; vgl. Schnack, m. Schnacke, 'Geschwätz, Geplapper, dummes Gerede'.
  • 458 glockengeck ] Glockengeck, Adhoc-Kompositum: von einem Narren, der beim Klang der Glocke erschrickt; Geck, m. 'Narr, Tor'.
  • 459-460 bist Haͤrings Art/ stirbst vom Pliz ] Wander, Heringsart: "Er ist Heringsart, er stirbt vom Blitz" (nach Fischart); Kelley 1968, Nr. 325; nicht bei Gerke.
  • 460-461 foͤrchtst nicht: wanns Tonnert/ ein Tron werd vom himmel fallen? ] Tron, 'Klotz'; Nebenf. von Trumm, n. 'Holzklotz, Baumstumpf'; vgl. Tronk, m. frz. tronc, lat. truncus, 'Baumstumpf'. Bei Kelley 1968, Nr. 117 als Sprichwort gelistet.

S8v

  • 462 laut kecklich ] lautet, v. '"auf sinn und gehalt des lautgemachten betonung legend" (DWB 12, 374, lauten 7); kecklich, adv., 'kühn', 'furchtlos', zu keck, adj. 'lebendig', 'kühn'.
  • 464 dan die Loͤen foͤrchten ain Hanengeschrai ] Plinius: Nat. hist. 8,52: "atque hoc tale tamque saevum animal ... et gallinaceorum cristae cantusque etiam magis terrent" / "Und dieses so gewaltige, so furchtbare Tier [der Löwe] fürchtet sich ... vor dem Kamm und noch mehr vor dem Krähen des Hahnes" (Übers. Roderich König); Aelian, De nat. animal. 3, 31; Lucr. 4, 710-714; Corpus fabularum Aesopicarum (= Aes.) Nr. 292 (Der Löwe beklagt gegenüber Prometheus seine panische Furcht vor dem Hahn). Vgl. Aesop Nr. 82 (Esel, Hahn und Löwe): "Beim Lärm des krähenden Hahnes bekam der Löwe aber einen gewaltigen Schrecken - es heißt nämlich, dass die Löwen vor dem Geschrei der Hähne Angst haben - und wandte sich zur Flucht." (Übers. Rainer Nickel) (Nr. 82, S. 86/87). - Auch bei Johannes Geiler von Kaysersberg: "Der Löwe fürchtet einen weißen Hahn [...] er fürchtet seinen Kamm und sein Krähen" (Johannes Geiler von Kaysersberg: Ausgewählte Schriften 1: Der höllische Löwe. Trier 1858, S. 48).
  • 465-466 Pulverscheissenden Teufelsfund ] Pulver und Salpeter explosionsartig von sich gebend; Teufelsfund, m. 'Erfindung des Teufels'; vgl. Fund, m. (DWB 4, 530: Fund 3).
  • 467 Teufelsgeschrai ] nicht im DWB.
  • 467 mit dem Püchsenproͤllen ] 'mit dem Brüllen der Büchsen'; s. brollen, bröllen, v. 'brüllen',, und prollen, pröllen, v.
  • 469 bei totzend ] 'im Dutzend' (une douzaine), im DWB nur ein Beleg mit der Präp. "bei dutzenden" (DWB 2, 1773).
  • 471 Erdbidems ] Erdbidem, n. 'Erdbeben'.
  • 473 das Hurrlebausisch geschüz ] hurlebausisch, Adjektivbildung zu Hurlebaus, m. ‚Lärmen, Tumult‘, mhd. hurlebûs (Lexer 1, 1396, BMZ 1, 734b); „ein malendes wort, das sich an das unten folgende hurlen und an bausen (theil 1, 1200) anschlieszt; dann auch auf das lärmen machende kriegsinstrument, die büchse oder kanone, übertragen“ (DWB 10, 1967); hurlebausisch, adj. u. adv. (DWB 10, 1967, beide Stellen aus Fischart, Gkl.). Vgl. Gkl. (1590), Kap. 39, S. 455: "hurlebausisch wider das Schloß" (stürmen). Ein Geschütz namens Hurlebuß gibt es jedoch schon bei Murner: Luth. Narr 79 ("die büchs, der hurlebuß").
  • 474 ain Weckauf inn die andacht gepracht ] Weckauf, m. 'etwas, das aufweckt', 'Wecksignal' ; wohl zuerst als Geschützname ("Weckauff von Österreich") (DWB 27, 2793 f.).
  • 475 Hailigenehrsam ] Ableitung von Heiligenehre, f. 'Ehre, die den Heiligen gegenüber erwiesen wird'; etwa 'eifrig in der Verehrung der Heiligen' (den Namensgebern der Geschütze). Wohl kein Kompositum aus "ehrsam", 'honorabilis', 'angesehen' und den Heiligen.
  • 477-478 ains andern Hailigen begevatterter Maurprecher ] Geschütze wurden auf die Namen von Heiligen getauft (hier S. Peter, S. Marcus); begevattern, v. 'zum Taufpaten ernennen, wählen'; zu Gevatter, m. 'Taufpate'.
  • 479-480 vom Berg Sina mit jnen das gesaz redet ] vgl. 5 Mose 5, 19.
  • 480-481 for Welterstorbener demut ] welterstorben, adj. 'der Welt entsagend' wie "weltabgeschieden", 'weltfern, abgesondert von der Welt'. Vgl. die weitverbreite Wendung "der Welt erstorben sein" (nicht im DWB), "der Welt absterben" (vgl. DWB 1, 131).
  • 482-484 wie die Moscoviter Legaten/ die den kopf zur ehrerbitung wider die Erd stosen ] Vgl. Sigmund von Herberstein: Rerum Moscovitarum Commentarii. Basel 1551. S. 138: "se inclinant, demittuntque, ut fronte terram contingant."; Herberstein: Moscouiter wunderbare Historien. Dt. von Heinrich Pantaleon. Basel 1567, S. CXXXXI f.: "Wann sy [die Legaten] dem Großfürsten für ein wichtigen handel wellend dancksagen/ oder ettwas ... begerend/ neygend sy sich dermassen vnnd lassend sich harnider/ das sy mitt der stirnen | die erden berürend."
  • 484-485 O wie bucken sich die Koͤnigische for dem Rochellischen Evangelio ] Die Hafenstadt La Rochelle war die Hochburg der französischen Protestanten; ein Jahr nach der Bartholomäusnacht sollte die Bastion der Hugenotten auf Anordnung von König Karl IX. geschleift werden. Die Stadt wurde vom Februar bis Juni 1573 vergeblich belagert, ein halbes Dutzend Versuche, die Mauern zu stürmen, scheiterten. Die Königlichen Truppen gaben am 26. Juni die Belagerung auf. Vgl. Discours et recueil du siege de la Rochelle an l'annee 1573. Lyon: Jean Saugrin 1573 (aus Sicht der königl. Belagerer).
  • 485-486 die Jngolstadische for dem Protestantischen verbo ] Im Schmalkaldischen Krieg zog Ende August 1546 das Heer des Bundes unter Führung des Landgrafen Philipp von Hessen und Herzog Johann von Sachsen vor Ingolstadt, wo sich das Heer Kaisers Karl V. zum Schutz der Stadt und Festung gelagert hatte. Drei Tage lang ließ der Landgraf die Stadt beschießen: "Den andern September/ Haben die Vnsern ... So hefftig ins Keysers leger geschossen/ Das der Keyser mit all den seinen/ mit grosser Eil/ Jnn die Stadt hat fliechen mussen". Sebastian Schertlin von Burtenbach fiel ins kaiserliche Lager ein, eroberte 4 Büchsen und das kaiserliche Zelt, danach ließen "die Vnsern ins Keysers Leger/ Schiessen on vnterlas/ tag vnd nacht in die Stadt/ vnd haben ein solch Geschutz vnd Kriegesrustunge/ Desgleichen kein Man/ sein lebenlangk beyeinander gesehen hat." (Ein kurtzer bericht/ Was sich mit Keyserlicher Mayestat ... vor Jngelstadt ... von dem xxiiij. Augusti/ bis auff den ii. Septembri/ zugetragen hat. o.O. u. J., Bl. A iij v). Zwei Wochen nach ihrem Beginn wurde die Belagerung jedoch abgebrochen. Vgl. Ein schön Newes Lied gemacht zů lob vnd Eer/ Römischer Kayserlicher Mayestat/ Wie Sy Jm 1546. Jar vor Ingolstat widern Landgrauen von Hessen/ vnnd Hertzog Hansen von Sachsen/ zů veldt gelegen. o.O. u. J. [1546] .
  • 486-487 die Tordesillische Junkern for des Zamorischen Pfaffen geweiheter Kreutzpüchß/ der kont sie beicht hoͤren/ vnd also gefirmt par gen himmel schicken ] (mit doppeltem Genitiv zu lesen: vor der Kreuzbüches des zamorischen Pfaffen des Bischofs Guevara; "des Bischofs Gweuare" wurde in der Gkl. B vor "Zamorischen" eingefügt) - Tordesillas, Stadt im span. Königreich Leon, Schauplatz der Schlacht von Tordesillas im September 1520. Antonio de Guevara (1480-1545) schrieb in den Epistolas familiares (Goldenen Sendschreiben, Tl. 3, zit. nach d. Ausg. 1599, S. 19: "Daß auß Soldaten Priester werden gehet hin/ aber wann auß Priester Soldaten werden/ solches ist ärgerlich ... Dann es ist wissentlich/ daß jhr von Zamora habt dreyhundert Priester nach Tordesillas verordnet/ ... dieselbige Statt wider den König zuuerthätigen ... Jn der Schlacht/ welche der Adl zu Tordesillas wider die ewrigen gehalten (hab ich mit meinen eignen Augen gesehen/ daß ein Priester hinter einem Baum stundt/ vnd eilff Personen mit einer Moßketten nidergeschossen/ vnd es kam mir gantz lächerlich für/ daß/ wie er sich richtete zum schiessen/ er sie zuvor mit der Moßketten segnete/ aber mit der Kugel vmbbrachte." ("An Don Antonio de Acunna, Bischoffen zu Zamora, darinn der author demselben starck verweist/ das er sich wider den König auffgeleint vnd ein Rädlführer der Rebellen ist worden"). Vor 1575 erschienen vom 3. Teil der Goldenen Briefe Guevaras nur Ausgaben in spanischer, italienischer und französischer Sprache. Die früheste deutsche Übersetzung (von Aegidius Albertinus) erschien 1599, die erste (?) lateinische Fassung (von Kaspar Ens) in Köln 1614. Fischart dürfte seine Leser mit dieser Anspielung zunächst überfordert haben, daher setzte er ab der zweiten Ausgabe der Gkl. den Verfasser des Exempels (etwas ungeschickt) hinzu. Fischarts Version entspricht am ehesten der französischen Übersetzung des Signeur des Guterry: "Il y a quelque raison de faire d'vn Soldat vn Prestre: mais de faire d'vn Prestre vn Soldat c'est vn faict de tresmauuais exemple ... car vous leuastes trois cens Prestres à Zamora, pour les mener à Tordesillas ... pour les y mettre en garnison contre le Roy ... A l'assault que les Gentilzhommes des Tordesillas donnerent aux vostres, ie vy de mes yeux vn de voz Prestres tuer vnze hommes auec vne arquebouze au coin d'vn Crenau, & ce qui plu me scandaliza, |fut que ce prestre voulant prendre mire, faisant le signe de la croix, auec son Arquebouze, sur ceux qu'il tuoit auec le boulet." (Tl. 3, Paris 1573, S. 2 f.; frz. Ausgaben auch 1558, 1570). Vgl. die lat. Übersetzung von Kaspar Ens: Epistolarum ac Dissertationum Pars Tertia: "Quod ex militibus nonnumquam clericis fiant, ferri potest; at ex clericis milites fieri, non bonis tantum moribus ... trecentos insuper clericos è dioecesi tua Tordesillam traduxisti ... ut urbem contra Regem defendant ... In conflictu nuper ad Tordesillam meis oculis sacerdotem vidi, stantem pone arborem, qui diuersis vnius sclopeti ictibus vndecim interfecit. Illud vero pulcrum inprimis ac paene ridiculum mihi videbatur spectaculum, quod idem eis quos globi ictu interficiebat, sclopeto decussatim in crucis formam ducto, prius benedicebat." (Ausgabe 1614, [Tl. 3], S. 31).
  • 488 Kreuzpüchß ] Adhoc-Prägung, vgl. "in crucis formam ducto", "faisant le signe de la croix" bei de Guevara.
  • 489 gefirmt ] firmen, v. lat. confirmare, 'stärken', 'trösten'; Firmung, Gabe des heiligen Geistes an den Gläubigen: eines der sieben Sakramente der katholischen Kirche; Vgl. Gkl. (1590) Kap. 30, S. 399: "Wann einer floh/ firmt er jhm zur letz so ein troͤstlichen streich ... das jm der kopff zu stucken dort hinauß stibet".
  • 489 par ] bar, adv. 'sogleich, sofort'.
  • 489-491 wie lifen die Maͤus for dem Franzoͤsischen geschuͤz aus Terowan ] Vermutlich verwechselt Fischart hier die Belagerten (obwohl auch diese über Geschütze zur Verteidigung verfügten) mit den Eroberern: Thérouanne wurde im 16. Jahrhundert zweimal erobert, einmal von den Engländern 1513, das zweite Mal von Karl V. (mit deutschen, niederländischen und spanischen Söldnern) 1553. Vgl. Sleidanus: Warhaftige Beschreibung 1559, Buch XXV, Bl. ccclj über den Anlass: Kaiser Karl V. hatte, weil er in Metz ohne Erfolg blieb, mit einem Heer die Stadt Terowan (Thérouanne, lat. Tarvenna) in Flandern seit dem 11. April 1553 belagert und am 20. Juni erstürmt, geplündert, abgebrannt und geschleift, wobei der Sohn des frz. Connétable, François de Montmorency, gefangen wurde. Vgl. Zedler 42, Sp. 1064 s. v. Terouane: "Und in eben diesem Jahrhunderte nehmlich 1553 ward sie nochmahls von dem Kayser Carl V, angegriffen, aus Rache, weil er die Belagerung vor Metz hatte aufheben müssen. Er eroberte sie auch den 20 Jun. mit Sturm, nachdem der Commendant darinnen, [André de] Desse[-Montalembert], umkam, und die Wälle durch 142000 Canonen-Schüsse gantz niedergelegt waren, und ließ sie fast gäntzlich zerstöhren, so daß man nichts mehr als die Ueberbleibsel davon übrig siehet." Vgl. François Eudes de Mézeray: Abbregé chronologique ou extraict de l'histoire de France. Tome V. Paris: Denys Thierry 1677, S. 611: "les remparts ayant esté mis en poudre par 142000. coups des canon". Also liefen die Mäuse wohl eher vor den deutschen (oder spanischen) Geschützen aus Thérouanne davon.
  • 491- 492 zu Quintin lisen sie sich zwen Monat nicht sehen/ vnd starben vor schrecken ] In der Schlacht bei Saint-Quentin (ital. Rotta dei Franzesi à S. Quintino) besiegten die spanischen, deutschen und englischen Truppen unter Philipp II. die Verteidiger von Saint-Quentin und den Connétable von Frankreich am 10. August 1557 im Krieg zwischen Habsburg und Frankreich und eroberten am 27. August die Stadt. Vgl. Henricpetri: General Historie 1577, S. clxxxv (Schlacht bei Saint-Quentin), S. ccj (Eroberung der Stadt nach der Belagerung), ccciij (Nutzen der Eroberung Saint-Quentins für König Philipp), und clxxxvj: "Die Fürsten von Oestereich haben seidher der Schlacht/ darinn König Franciscus im Thiergarten zu Paphy gefangen worden/ kein herrlichern Sieg [als den bei Saint-Quentin] wider die Frantzosen erlanget/ auff welche auch die eroberung Sanct Quintin vnd anderer Frantzösischer Stetten erfolgt ist." Vgl. Die Kriegshandlung So zwischen dem König von Hispanien vnd Engellandt/ vnnd dem König von Franckreich/ vom xiiij. Hewmonats an/ biß zů ende des Augstmonats nechst versehynen/ in eroberung der Statt Sanct Quintin verloffen/ vnd zůgetragen/ eygentlich beschrieben. M.D.LVII. [S.l., 1557] (VD16 K 2391); Newe Zeyttungen von eroberung der Statt zů Sanct Quintin in Franckreich [...] beschehen den 27. Augusti im Jar M.D.LVII. Wien: Michael Zimmermann 1557(VD16 ZV 30498; vgl. VD16 ZV 11786; VD16 ZV 557; VD 16 G 3585). - Die Verteidiger von S. Quentin wurden getötet oder gefangen genommen, Frauen und Kinder in die nächste Stadt verbracht.
  • 493 faͤrt Sant Johans kugel in dich/ so bist wol for dem Teuffel gesegnet ] Vgl. HWA 5, 767 f., s.v. Kugelsegen, hier 'Treffsichermachen'; dass man mit einer auf den Heiligen Johannes gesegneten Kugel vor dem Teufel sicher sei, ist ironische Zutat Fischarts.

T1r

  • 495-496 Es regent nicht wann die Bauren auf stelzen gahn ] Wander: Regnen 21.
  • 496-498 Claus Narr sagt/ das seien die besten Schützen die faͤlen/ dan sie schisen niman tod ] Wolfgang Bütner: Claus Narr. 1572, Tl. 15, Nr. 33: "Guter Schütz. Er sahe einen nach einer Tauben schiessen/ der fehlet/ vnd sprach: Ey du bist ein recht guter Schütz/ du soltest nach Leuten schiessen/ weil du so gewis gehlen/ vnd neben hin schiessen kanst. Claus den ein guten Schützen heist Der fehlt wenn er nach Menschen scheust ...".
  • 500 Kamelsail/ cable ] Kamelseil, m. (nicht im DWB, FWB), 'Schiffstau, Kabel'; Fischart nutzt für seine Neuwortschöpfung beide in den Wörterbüchern seiner Zeit angegebenen Bedeutungen des Homonyms "Camel". Vgl. Petrus Dasypodius: ΛΕΞΙΚΟΝ Graecolatinum in usum iuventutis. Straßburg: Wendelin Rihel 1539, S. 123]: "κάμηλος, ὁ, ἠ, camelus, iumentum, funis nauticus"; Lexikon trilingue ex Thesauro Roberti Stephani et dictionarii Ioannis Frisii ... collectum: Et de nouo Graecarum vocum significationibus ... auctum. Cum praefatione Ioannis Sturmii. Straßburg: Rihel 1587, Bl. Q6 v: "Camelus ... Eyn Kamel/ kamelthier. Est & Camelus, funis nauticus. Das dicke schiff-seyl."
  • 501 haspelt ... hinauf/ montoit ] haspeln, v. 'Garn auf eine Haspel wickeln', in übertragener Bedeutung 'drehende Bewegungen machen'.
  • 503 gewiß/ asseurement ] F. verwechselt hier 'beherzt, unerschrocken' mit 'sicherlich, gewiss'.
  • 503 das ainem das Gesicht darob verging/ que plus ne pourriez parmy un pré bien egalé ] Garg.: "wie ihr es nicht besser auf einer flachen Wiese könntet" (Ü. Steinsieck). - vergehen, v. 'schwinden' (durch plötzlichen Schrecken, Erstaunen; vom Sehvermögen).
  • 504 Gabelgalgen/ perche ] perche, 'Stange' - Gabelgalgen, m. (nicht im DWB); vgl. Gabel, m. 'Galgen'. - An der in zwei Astgabeln aufgehängten Stange vollführt Gargantua Turnübungen (wie heute etwa den Felgaufschwung), was aussieht wie ein am Spieß gedrehter Braten.
  • 505 gesperret/ appuyee ] sperren, v. 'durch Sparren, Balken festhalten, hemmen', 'festklemmen'.
  • 509 sich steuren ] steuern, v. (sich) 'stützen'.
  • 510 Kaufmaͤnnische Bilanz ] Kaufmannswaage, it. bilancia, f. 'Waage'.
  • 511 geprüst vnd gelüng/ le thorax et poulmon ] Gebrüst, Gebrüste, n. 'das Brustwerk'; Gelüng, Gelünge, n. Kollektivum zu Lunge (Lunge, Leber, Herz), ein Metzger- und Küchenwort (DWB 5, 3109 f.; auf den Menschen bezogen nur diese Stelle genannt), 'Eingeweide, Innereien, Lunge und Leber'.
  • 512 exerciret/ pour s'exercer ] exercieren, v. 'etwas wiederholt üben', 'sich körperlich bewegen, sportliche Übungen abhalten', 'trainieren'.
  • 513 im Hekelberg ] Münster: Cosmographei 1553, S. vij über Vulkane ("in Jßland ist der Heckelberg"); dazu S. dcccclxxxv über den Hecla: "Bey dem Heckelberg ist ein mechtige tieffe/ de nitt ergründt mag werden"; auch bei Olaus Magnus 1558, lib. 2, Bl. 12v-13v: Abbildung des Mons Hecla und Beschreibung; dass. in dt. Übersetzung 1567, Buch 2, Cap. ij, S. xlvi: "Ein Berg ligt darinn ... gleich wie Etna stätigs brennende/ Etliche meinen es sey daselbst ein Fegfeüwr/ das ist ein ort der Peen vnd Bůß". - Vgl. Gkl. Kap. 11, S. 228: "Künstler ... auß dem Heckelberg"; Praktik C, "feur im Heckelberg" (SW 1, 405,29).
  • 514 Sanct Victorsporten/ la porte saint Victor ] Das Tor von S. Victor befand sich bei der Abtei gleichen Namens im Universitätsviertel von Paris (Defaux 248, 43).
  • 515-516 inn der Schlacht wider die Hutzelbutzen/ auf dem Lechfelt hort man jn schreien biß gen Langwait ] In der Schlacht auf dem Lechfeld bei Augsburg am 10. August 955 besiegte Otto der Große die Ungarn (Hinw. Nyssen). Vgl. darüber Johannes Cuspinianus: Ein außerlesene Chronica 1541, S. ccccxlv. - Langweid am Lech, Gemeinde im Landkreis Augsburg (es bleibt unklar, woher Fischart die Ortskenntnis bezogen hatte). - Hutzelbutze, vgl. Butze, m. Popanz, Teufel; Hutzel, f. 'etwas Eingedorrtes, Geschrumpftes'. Hier herabsetzend für 'Ungarn'.
  • 517-518 etwas neher als das geschuͤz for Metz ] Die vergebliche Belagerung (mit heftigster Beschießung) von Metz durch Kaiser Karl V. vom 22. Oktober 1552 bis 2. Januar 1553 (Melanchthon: Chronica 1566, S. CLXXXI, "Metz belägert"); vgl. Westphal: Geschichte der Stadt Metz. Tl. 2 (1875), S. 40-53; "Albrecht von Brandenburg ... deckte den Rücktransport des kaiserlichen Geschützparks nach Diedenhofen. Dabei machte er sich das Vergnügen, seine überflüssige Munition aus 16 Geschützen gegen die Stadt zu verschießen" (Westphal, Tl. 2, S. 58). Vgl. Johann Heinrich Albers: Geschichte der Stadt Metz nach den zuverlässigsten Chroniken. Metz 1902, S. 85 f. über die Belagerung von Metz mit mehrtägiger Beschießung zwischen dem 31. Oktober und 2. November: "Am 23. November begann die Beschießung der Stadtmauer mit anfangs 300 Kugeln den Tag, welche Anzahl sich aber bis zum 28. November auf ca. 1000 steigerte ...". Die vergebliche Belagerung mit hohen Verlusten wurde am 26. Dezember beendet.
  • 518-519 Der beruͤmt Stentor het lang kain solche stimm inn der Schlacht vor Troi/ Stentor n'eut onques telles voix à la bataille de Troye ] Homer: Ilias V, 785 f. : Hera/Juno ruft so laut wie Stentor, der kräftige Mann mit der ehernen Stimme, der so laut wie fünfzig andere zu schreien vermochte. - Vgl. Erasmus: Adagia II,3,37 "Stentore clamosior" / "Lauter als Stentor". Der 'berühmte' Stentor hat in der Schlacht vor Troja selbst nicht seine Stimme erhoben (zumindest nicht bei Homer). Vgl. Pantagruel, Kap. 28 , wo Carpalim lauter als Stentor rufen soll, "qui fut ouïe par sur tout le bruit de la bataille des Troyans" / "die man durch allen Waffen-Lärm des Trojanischen Kriegs vernehmen konnt" (Übers. Regis; Pantagruel, Ausg. Lefranc, S. 288 und Huchon S. 1323, nur in den Lesarten: [Lyon] 1537).
  • 520-521 Demosthenes/ der stain inn mund nam vnd am Moͤrvfer in den Wind rufet ] Valerius Maximus VIII, Ext. 1 "ac vadosis litoribus insistens declamationes fluctuum fragoribus obluc5tantibus edebat, ut ad fremitus concitatarum contionum patientia duratis auribus uteretur. Fertur quoque ori insertis calculis multum ac diu loqui solitus, quo vacuum promptius esset et solutius." / "stellte sich an seichte Gestade und hielt Übungsreden gegen das Getöse der Wellen, um seine Ohren gegen den Lärm aufgeregter Volksversammlungen ausdauernd abzuhärten. Er soll auch die Gewohnheit gehabt haben, mit Steinchen im Mund viel und lange zu sprechen, um ohne sie schneller und freier reden zu können." (Übers. Ursula Blank-Sangmeister).
  • 521-522 als ob jm der hals ab waͤr ] 'wie wenn er keinen Hals hätte'; wer den Mund weit öffnet um laut gegen den Lärm zu schreien, verdeckt den Hals völlig; und bei Aussprache eines tiefen "r" verkürzt sich der Halsmuskel, so dass auch hier der Sprecher als halslos gesehen wird.
  • 523 zusteifen/ pour garrentir ] 'stärken'.
  • pleiene kugeln/ groͤser als die Margraf Alprecht inn Franckfort geschossen hat/ saulmones de plomb ] Gemeint ist die Belagerung von Frankfurt am Main im Juli 1552, an der Markgraf Albrecht Alkibiades von Brandenburg-Ansbach (1522-1557) auf Seiten Kaisers Karls V. gegen den Schmalkaldischen Bund beteiligt war. Vgl. Sleidanus: Beschreibung aller Händel 1559, Bl. cccxliij v - cccxlvj zur Belagerung von Frankfurt; "Den ganzen Tag bis in die späte Abenddämmerung ließ Albrecht ohne Unterlaß die Belagerten durch funfzig Stück Geschütz in Angst und Schrecken setzen" (Johannes Voigt: Markgraf Albrecht Alcibiades von Brandenburg-Kulmbach. Bd. 1. Berlin 1852, S. 324); er war mit "sechs großen Mauerbrechern aus Nürnberg und der ihm gelieferten Kriegsmunition versehen" (ebd., S. 322); "Der Feind hielt mit Schießen an; eine drei Centner schwere Steinkugel fiel auf das deutsche Haus; eine ähnliche auf den Dom" (Julius Bernhard Engelmann: Der erneuerte Merian oder Vorzeit und Gegenwart am Rhein. Heidelberg (1826), S. 162); am 4. August erlitt der Markgraf einen bedeutenden Verlust: Ein "aus Frankfurt ausfallender Reiterhaufe [bemächtigte] sich nicht nur des sämmtlichen Geschützes, des Drachen, einer 18 Fuß langen Nothschlange, des Bundes, des Bauers, der Bäuerin, der Jungfrau oder Sängerin, des Bären, der Treuen und der bösen Else, sondern auch über funfzig Tonnen Pulvers und einer großen Menge Kugeln" (Voigt, S. 338 f.). Am 9. August wurde die Belagerung abgebrochen. In der Regel waren für die Mörser (Mauerbrecher) Steinkugeln, für die Feldschlangen eiserne Vollkugeln (Kaliber 14 cm) und nur für die Musketen Bleikugeln (Gewicht 60-70 g) als Geschosse vorgesehen.
    • Ein schön newes Kriegs Lied/ wie Marggraff Albrecht für Franckfurt gezogen ist. Ausgpurg: Michael Manger [um 1580] (VD16 ZV 31122); Zwei hübsche newe Lieder/ Das erst/ Wie Marggraff Albrecht für Franckfort gezogen ist. Basel: Johann Schröter 1600.
  • 526 quintalpfund/ quintaux ] Quintal, Gewichtseinheit von 100 Pfund (DRW X, 1511); Quintalpfund (ebd., nur diese Stelle).
  • 527-528 welche er alterazen vnd zuckander nennet/ lesquelles il nommoit alteres ] lat. halteres, 'Hanteln' (Baldinger, S. 33; FEW 4,378b: Haltēres [gr.].) Von Fischart nicht verstanden und als lat. alteratio, 'Wechsel, 'Abwechslung' gedeutet; zum zweiten Namen vgl. lat. succanere, 'die zweite Stimme singen, begleiten' und dt. zucken, v. 'packen, ergreifen'; Zuckander, "geräth zu leibesübungen (art hanteln?)" (DWB 31, 281 (nur diese Stelle); eher: 'packe als Zweiter zu'.

T1v

  • 531 vnnachzuthunige staͤrk/ une force inimitable ] Eine nicht einholbare, nicht zu überbietende (körperliche) Stärke.
  • 532 Spilt mit den klinkstangen/ Jouoit aux barres ] s. o. "spilten der barr" Z. 103 und 293. - Glinke, NF von Klinke, f. 'Schlagbaum, Fallriegel'.
  • 532 Sperrbaͤumen ] Sperrbaum, m. 'Balken zum Sperren eines Weges'.
  • 532-533 Handspaken/ vnd Sperrlingen ] Handspake, f. 'Hebebaum für Schiffer'; Sperrling, m. 'Gerät zum Sperren, Riegel', 'Schranke'.
  • 533 riß mit den aller staͤrkesten/ avec les plus forts ] sich mit anderen im Reißen messen; reißen, v. sich mit jdn. r. 'sich balgen, prügeln'.
  • 534 wann es zu dem fall kam/ quand le poinct advenoit ] "quand le poinct advenoit" / "wenn es darauf ankam" (Steinsieck). - 'wenn der Fall eintrat'.
  • 534-540 stund er so fest auff den fuͤsen ... wie for zeiten Milo that: Nach dessen Exempel pflegt er ain Granatapfel inn die hand zunemmen/ vnd schankt jne dem der in jm aus der hand kont pringen/ se tenoit sus ses pieds tant roidement ... comme jadis faisoit Milo. A l'imitation duquel aussi tenoit une pomme de grenade en sa main, et la donnoit à celuy qui luy pourroit oster ] Galen: Hygiene 141K (LCL 535, S. 206): "Der berühmte Milo übte sich in der Weise, dass er manchmal ... einen Granatapfel oder etwas anderes in seinen beiden Händen hielt, und es jedem anbot, der es ihm wegnehmen konnte." - Plinius: Nat. hist. VII, (XX), 83: "C. Milonem athletam, quum constitisset, nemo vestigio educebat, malum tenenti nemo digitum porrigebat" / "Wenn Milo der Athlet eine festen Stand einnahm, konnte niemand seinen Fuß bewegen und wenn er einen Apfel in seiner Hand hielt, konnte ihm niemand auch nur einen Finger bewegen"; auch bei Ammianus Marcellinus, XXX, 7,2 (im Vergleich zu Gratianus, s.o. S. 349). Johannes Heyden: Plinii Bücher 1571, Tl. 1, Kap. XXII, S. 38: "„Wenn der Ringer Milo Crotoniates sich stellen wolte, kondte jhn niemandt von der Stett dringen/ So er auch einen Apfell in der Faust hielte/ vermocht jhm keiner einen finger strecken“."
  • 535 Waghals/ aventureux ] 'einer der den Hals, das Leben riskiert'; Wagehals, m. 'tollkühner, verwegener Mensch'.
  • 536 ausbot/ s'abandonnoit ] sich jdn. ausbieten, v. 'provocare ad certamen', 'zum Wettkampf herausfordern'; 'jn. zu etw. reizen, herausfordern, provozieren'; vgl. Glückhaft Schiff, 664: "Im zu dem wettlauf auszubieten".

/ Absatz 10

  • 543 zettelt er allgemach wider haim/ tout doucement retournoit ] zetteln, v. 'einzeln gehen', 'langsam, schlendern gehen'; vgl. Fischart: Eulenspiegel, V. 85 "allgemach so hin gezettelt".
  • 545 krautbare oͤrter/ lieux herbus ] krautbar, adj. 'Kraut, Kräuter tragend'.
  • 546-547 hilt sie gegen der alten Buͤcher/ die davon geschriben haben/ als Theophrast/ les conferons avec les livres des anciens qui en ont escript, comme Theophraste, Dioscorides, Marinus, Pline, Nicander, Macer et Galen ] - Theophrast: Gemeint ist das botanische Werk des Theophrastos von Eresos (ca. 372-287 v. Chr.): De causis plantarum. Theodor Gaza übersetzte es aus dem Griechischen ins Lateinische und Julius Caesar Scaliger kommentierte es ausführlich (Commentarii, et animadversiones, in sex libros de causis plantarum Theophrasti. Genf: Johannes Crispinus 1566.
  • 547 Dioscorid/ Dioscorides ] Vgl. dieses Kapitel, oben, Z. 135: "aus dem ... Dioscoride".
  • 547 Marin/ Marinus ] Marinos von Alexandria (1. H. 2. Jh.), wird von Galen mehrfach als Anatom genannt, als Botaniker ist er unbekannt - Lefranc II,23,171 nimmt an, daß Rabelais den antiken Marinos mit den über Kräuter und Simplicia schreibenden neueren Ärzten verwechselte: er nennt Andrea Marini und Pietro Marini; vgl. Schrader, S. 474. Vgl. etwa Andrea Marini: Annotationes in simplicia. In: Mesue: Opera, quae extant omnia. Venetiis 1561; Pietro Marini (Übersetzer) von Palladius: De re rustica et hortensi. Venedig 1528. - Von Fischart wird der Name unbesehen übernommen.
  • 547 Plinius/ Pline ] Einschlägig sind hier die Bücher XX-XXVII (Pharmakologie: Heilmittel aus Gartengewächsen, Pflanzenreich, Kulturpflanzen, Wildkräutern). Hinw. von Nyssen auf den Autor und seine Historia naturalis.
  • 547 Nicander/ Nicander ] Nikandros von Kolophon (wohl 2. Jh. v. Chr.); Nyssen: "Dichter u. Grammatiker, vielleicht auch Arzt". Verfasser der Theriaka und Alexipharmaka, Lehrgedichte über Gifte und Vergiftungen.
  • 549 Macer/ Macer ] Aemilius Macer (gest. 16 v. Chr.) wird bei Ovid, Plinius und in den Disticha Catonis als Autor erwähnt, der u.a. auch über die Kräfte der Kräuter geschrieben habe. Von seinen Werken sind jedoch nur Fragmente überliefert. Der von Odo von Meung (Odo Magdunensis, 11. Jh.) sehr viel später verfasste Macer floridus (De viribus herbarum) wurde im 15. und 16. Jh. dem antiken Autor zugeschrieben. Vgl. [Odo von Meung]: De herbarum virtutibus. Neapel 1477; Aemilius Macer [Odo von Meung]: De Herbarum virtutibus ... scholiis Joannis Atrociani. Basel 1527 [VD16 O 269].
  • 549 Galen/ Galen ] vgl. Vorrede (1590), S. 14. - Vgl. die Ausgabe Omni Cl. Galeni Pergameni summi in arte medica viri opera. 10 Tle. in 4 Bdn. Basel: Froben 1542, [VD16 G 127], hier in Tomus V: "De simplicium medicamentorum facultatibus libri undecim", Tomus VIII: Ps.-Galen: "Liber de simplicibus medicaminibus ad Paternianum" und "Liber de virtute centaureae".
  • 550 zuwarten/ avoit la charge ] warten, v. 'behüten, versorgen, pflegen', 'sich kümmern um'.
  • 550-551 ain junger Knab/ Rhizotomus genant/ von Würzburg/ un jeune page nommé Rhizotome ] gr. ῥίζα, 'Wurzel' und τέμνω, 'schneiden' (Defaux 250, 49); Fischart fügt den sprechenden Herkunftnamen (lat. Herbipolis) hinzu.
  • zusamt den hackengraben ... vnnd anderm Gaͤrtnerszeug/ Ensemble des marochons ... et autres instruments requis a bien arborizer ] Aufzählung unterschiedlicher Werkzeuge eines Gärtners (Garg.: "instruments requis a bien arborizer").
  • 552 hackengraben/ des marrochons, des pioches ] Kompositum, nicht im DWB; Grabe, f. hölzernes, spatenförmiges Gerät zum Hacken, 'das Erdreich bearbeiten'.
  • 553 Karstlen ] Karstel, n. (nicht im DWB), 'kleiner Karst'; Karst, m. 'Hacke mit zwei Zähnen', "im feld- und weinbau gebraucht" (DWB 11, 231 f.), Gerät zum karsten, v. 'hacken, brechen' (der Erdschollen).
  • 553 Rattenkloen ] Rattenklaue, f. (DWB 14, 206, nur diese Stelle); Instrument in Form einer Rattenklaue, dreizinkig.
  • 554 Hebzapfen ] Hebezapfen, m. Gartengerät (DWB 10, 733, nur diese Stelle).
  • 554 Jaͤtthauen/ cerfouettes ] Jäthaue, f. , 'Gerät zum Jäten' (Ausreißen) von Unkraut.
  • 554 Grabstickeln ] Grabstichel, m. "bezeichnung eines ackergeräts. für die gartenhacke oder -haue; vgl. bipalium, ein hauwen, grabschaufel, oder grabstickel Frisius dict. (1556) 157a" (DWB 8, 1649); 'kleine Hacke'.
  • 555 Eggezincken ] Eggezinken, m. (nicht im DWB); vgl. Zinken, m., Zinke, f. 'Spitze, Zacke' aus Metall an einer Egge.
  • 555 Gerthauen ] Gerthaue, f. (DWB 5, 3746, nur diese Stelle); dass. wie Gerter, m. "hippe in gestalt eines starken, langen, breitschneidigen, vorn gekrümmten messers zum abschneiden und zerhacken von reisig" (DWB ebd.); Gerte(l), f. 'Astbeil, Hippe'.
  • 555 Hippen ] Hippe, f. , 'Messer von sichelartiger Gestalt für Gärtner und Winzer'.
  • 555 Pickeln ] Bickel, Pickel, m. 'Spitzhacke'.
  • 555 Zaͤngaͤblin ] Zähnegäblein, n. 'Gärtnergerät' (DWB 31, 155, nur diese Stelle).
  • 556 Gerteln ] Gertel, m. 'Astbeil, Hippe', "breitschneidiges, vorne gekrümmtes Haumesser" (FWB; vgl. DWB 5, 3745: Gertel 1).
  • 556 Bindmessern ] 'Hackmesser' (Schneidmesser, Rebmesser).
  • 556 Hagmessern/ tranches ] Hagmesser, n., 'Messer zum Beschneiden des Hags'; mit Verweis auf Hag, 'Umfriedung, Zaun, Umzäunung'.
  • 556 Haͤplin ] Häplein, Häpel, n. 'krummes Winzermesser'; vgl. Häpe, f. 'Gartenmesser'.
  • Raupenhaͤklein ] Raupenhäcklein, n. "kleine hacke zum vertilgen der raupen" (DWB 14, 300, nur diese Stelle).
  • 557 Gaͤrtnerszeug/ instrumens ] 'Werkzeug eines Gärtners'; nicht im DWB.
  • 558 zuarborisieren/ arborizer ] zu lat. arbor, 'Baum', arborator, 'Baumgärtner'; als Lehnwort erwähnt bei Weidmann (1913), S. 30.
  • 558 zuherbiren ] frz. herber, zu lat. herba, 'Pflanze, Gewächs, Kraut'. Lehnwort, jedoch hier nicht von Rabelais übernommen (Weidmann, 1913, S. 31).
  • 558 zupelzen ] belzen, pelzen, v. 'propfen'.
  • 559 zuschripfen ] Nebenform (DWB 15, 1754, nur diese Stelle) zu schräpfen, v. "die spitzen eines und des andern getraides, wenn solches ... zu geil wächset, oben mit der sichel abschneiden" (DWB 15, 1648) und schrupfen, v. "früchte, die zu üppig stehen, mäßig abschneiden' (DWB 15, 1809).
  • 559 zujetten ] jäten.
  • 560 zuschneuzen ] zurückschneiden (DWB 15, 1326: schneuzen 5: diese Stelle); vgl. Gkl. (1590), Kap. 27, S. 360: "Cyrus schneutzt die Bäum".
  • 560 zupfrupfen ] pfropfen, v. dass. wie belzen.

T2r

  • 561 zuschroͤten ] beschneiden; schroten, v. 'schneiden'.
  • 562 Sinnschoͤpften ] v., 'aus der Erinnerung wiederholen (?)' (DWB 16, 1201, diese Stelle).
  • 565 Disciplin ] Disziplin, f. 'geistliche Züchtigung, Zucht', lat. disciplina, 'Erziehung, Zucht'; 'Aufsicht, Unterweisung'.
  • 566 nuͤchtern/ sobre ] adj. 'mäßig im Genuss von Trank und Speisen', lat. sobrius (DWB 13, 971: nüchtern II 4 b); "nüchter, mäszig in essen und in trinken, zimlich in speisz und trank, sobrius" (Frisius, DWB ebd.).
  • 567-568 den widerspaͤnnigen auflauf des magens zustillen/ pour refrener les abois de l'estomach ] widerspänig, adj. 'widersetzlich', 'rebellisch'; Auflauf, m., 'Tumult, Aufruhr'; vgl. Gkl. (1590), Parat, S. 39: "im Bauch ein aufflauff".
  • 574-575 vngehoͤfelter/ vnerbeutelter vnd schipiger Arzet/ de badaux medicins ] ungehobelt, adj. 'ungeschliffen, unhöflich'; unerbeutelt, part. adj. zu erbeuteln, v. 'durch den Beutel sieben' (DWB 3, 718, die zwei folgenden Stellen aus der Gkl.), vgl. Gkl. (1590), Kap. 1, S. 41 "erbeutelt vnd remembrieret"; andere Bedeutung: Kap. 37, S. 445 "ein beut zu erbeuteln"; schuppig, adj. 'mit Schuppen bedeckt'; 'räudig, grindig'.
  • 575-576 inn der Sophisten Werkstatt/ en l'officine des Sophistes ] Sonst abwertend auf Scholastiker und Theologen bezogen, hier auch auf Ärzte der alten Schulmedizin bezogen.
  • 576 abgerollet vnnd gewalplochet/ herselez ] walblochen, v. 'mit dem Walbloch bearbeiten' (DWB 27, 1070, nur diese Stelle); Walbloch, n. 'schwere Walze zum Einebnen der Äcker', 'Walzzylinder'. Die Ärzte sind zuvor in der Werkstatt der Sophisten abgerollt und plattgewalzt, d.h. gleichförmig gemacht worden (?).
  • 578 die Lection zum morgenjmbiß/ la leçon du disner ] Die Lektüre für den nächsten Tag wird begonnen - jedoch ist in der Beschreibung des Tagesablaufs sowohl bei Rabelais wie Fischart zwischen Ankleiden und lectio ordinaria (Z. 90-95) das Frühstück unerwähnt geblieben.
  • 583 Musicartlich/ musicalement ] Kompositum (nicht im DWB) aus Musik und artlich, adv. 'kunstvoll', 'zierlich', 'lieblich'.
  • 584 zugestimten/ harmonieux ] zustimmen, v. "mit instrumenten mittönen", 'in Zusammenstimmungen bringen' (DWB 31, 853, mit dieser Stelle).
  • 585 dise klaine kurzweilchen/ de ces petits passetemps - Kurzweilchen, n. 'kleines oder hübsches Spiel, Unterhaltung' (DWB 11, 2860, nur diese Stelle und einer weitere aus Fischarts Praktik); vgl. Fischart: Praktik C, Bl. J ij r): "die gailartische kurzweilchen/ tausenterlei freudenspil" (Fischart SW 1, S. 402,33).
  • 587 mit grosem lust vnd gutgeschirrig/ faisans grand chere - gutgeschirrig, adj. 'fröhlich, ausgelassen' (DWB 9, 1426, nur diese Stelle); vgl. DWB 9, 1278, gut III A 5 c, hier "guter Dinge sein" und DWB 5, 3893: Geschirr 20: "gut (ge)schirr machen" als Entsprechung zu frz. faire bonne chère, nl. goed chiere maken, "namenlich bei gelagen, lustig schmausen oder zechen".

/ Absatz 11

T2v

  • 596-597 Figuren/ laͤger/ gelegenheit/ les figures, situations - Figur, hier 'Sternbild'; Lager, Nebenform Leger, Läger, m. 'Aufenthaltsort', 'Lage'; Gelegenheit, f. 'Lage'.
  • 597 aspect/ aspects ] Aspecten, pl. 'Aussichten', "Eigtl. nämlich ein Terminus der mittelalterl. Astronomie: aspectus 'Stellung der Sterne am Himmel'", "zunächst 'das Schauen der Sterne (lat. aspectus 'das Hinsehen')" (DFWB 1, 54); "Stellung, Korrelation der Himmelskörper" (²DFWB 2, 323-327, hier S. 323: Aspekt 1a).
  • 597 oppositzen/ oppositions ] Opposition, f. 'Gegensatz', lat. oppositio, 'Entgegensetzung', "in bes. Verwendung in der Astrologie" (DFWB 2, 255 f.).
  • 598 conjunctionen/ conjonctions ] Konjunktion, f. "Bezeichnung einer 'Verbindung' von Sternen (lat. coniunctio), d.h. ihrem Zusammentreffen in dem gleichen Zeichen des Tierkreises" (DFWB1, 379: Konjunktion²).
  • 598 Darauf recapitulirt/ vnnd vberschlug er kurzlich auf Pythagorische weis mit seinem Lehrweiser alles was er die gantze tagzeit durch gelesen/ gesehen/ erfaren/ gehoͤrt/ gethan vnnd vernommen hat/ Puis avec son precpteur recapituloit briefvement à la mode des Pythagoriques tout ce qu'il avoit leu, veu, sceu, fait, et entendu auc decours de toute la journee ] Rabelais folgt hier den Empfehlungen Ciceros, das Gedächtnis frisch zu halten, in Cato maior de senectute XI,38,: "Pythagoriorumque more, exercendae memoriae gratia, quid quoque die dixerim audierim egerim commemoro vesperi."/ "nach der Weise der Pythagoreer überdenke ich, um mein Gedächtnis zu üben, jeden Abend alles, was ich tagsüber gesprochen, gehört und getan habe" (Übers. Max Faltner; vgl. die Übersetzung von W.A. Falconer; LCL 154, S. 46).
  • 599 recapituliert/ recapituloit ] rekapitulieren, v. 'etwas zusammenfassen, (noch einmal) überschlagen', 'sich etwas (in gedrängter, zusammengefasster Form) vergegenwärtigen' (DFWB 3, 263).