Wo1

Aus Autoritäten

Repertorium der mittelalterlichenAutoritäten

Wo1

Wolfenbüttel Herzog August Bibliothek, Cod. 2.4. Aug. 2°
Umfang 256 Bll.; hier Bl. 211ra-212vb und Bl. 244vb-245vb
Datierung Ende 15. Jh.
Schreiber unbekannt; 3 verschiedene Hände (s. Heinemann, S. 68)
Schreibsprache nordbairisch/ostfränkisch (s. Mihm, S. 144); nordbairisch/nürnbergisch (ohne ostfränkische Merkmale; Seelbach)
Inhalt Wolfenbütteler Priamelhandschrift (Sammelhandschrift aus 2 Teilen, s. Kiepe, S. 233); darin u. a. Boners 'Edelstein', Rosenplüt, Exzerpte aus Freidanks Bescheidenheit, Priameln
Anzahl und Form 2 Spruchreihen;

1. Reihe: Bl. 211ra-212vb: 3 Zweizeiler, 18 Vierzeiler, 3 Sechszeiler, 1 Zehnzeiler, 1 Zwölfzeiler, 1 Zwanzigzeiler 2. Reihe: Bl. 244vb-245vb: 6 Zweizeiler, 8 Vierzeiler

Repertorien Marburger Repertorium der Freidank-Überlieferung und

Handschriftencensus

Katalog
  • Heinemann, Otto von: Die Handschriften der Herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel. Zweite Abtheilung: Die Augusteischen Handschriften I. Wolfenbüttel 1890; Nachdruck unter dem Titel: Die Augusteischen Handschriften. Bd. 1. Codex Guelferbytanus A. Augusteus 2° bis 11.10 Augusteus 2°. Frankfurt a.M. 1965 (= Kataloge der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel 4),  S. 68 f. (online)
Achivbeschreibung Hermann Herbst (1936) 10 + 1 Bll. (online)
Literatur
  • Bezzenberger, Heinrich Ernst (Hrsg.): Frîdankes Bescheidenheit. Halle 1872; Nachdruck Aalen 1962, S. 49. (online)
  • Bodemann, Ulrike und Dicke, Gerd: Grundzüge einer Überlieferungs- und Textgeschichte von Boners 'Edelstein'. In: Deutsche Handschriften 1100-1400. Oxforder Kolloquium 1985. Hrsg. von Volker Honemann u. Nigel F. Palmer. Tübingen 1988, S. 424-468, hier S. 434.
  • Euling, Karl (Hrsg.): Kleinere mittelhochdeutsche Erzählungen, Fabeln und Lehrgedichte. Bd. II: Die Wolfenbüttler Handschrift 2. 4. Aug. 2°. Berlin 1908 (= Deutsche Texte des Mittelalters 14), S. 154-159 [Edition, hier Nr. 790-811] (online),  211 f. [Edition, hier Nr. 945-955] (online)
  • Franke, Ruth: Peter van Zirns Handschrift. Ein deutsches Schulbuch vom Ende des 15. Jh. Berlin 1932 (= Germanische Studien 127), S. 24.
  • Gärtner, Kurt: Aus Konrad Bollstatters Spruchsammlung. Die Vierzeilerreihe Wer getaufft ist und in rechtem glauben statt. In: Festschrift Walter Haug und Burghart Wachinger. Hrsg. von Johannes Janota u.a. Bd. II. Tübingen 1992, S. 803-825, hier S. 808, 812.
  • Grimm, Wilhelm: Über Freidank. In: Abhandlungen der Königlichen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Aus dem Jahre 1849. Berlin 1851, S. 331-413, hier S. 352 (online).
  • Grimm, Wilhelm (Hrsg.): Freidank. 2. Ausgabe. Göttingen 1860, S. IV (E/B). (online)
  • Heiser, Ines: Autorität Freidank. Studien zur Rezeption eines Spruchdichters im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit. Tübingen 2006 (Hermaea NF 110),  S. 44, 53 f., 61.
  • Jäger, Berndt: "Durch reimen gute lere geben". Untersuchungen zu Überlieferung und Rezeption Freidanks im Spätmittelalter. Göppingen 1978 (= Göppinger Arbeiten zur Germanistik. 238),  S. 49, 135, 257 f.
  • Kiepe, Hansjürgen: Die Nürnberger Priameldichtung. Untersuchungen zu Hans Rosenplüt und zum Druck- und Schreibwesen im 15. Jahrhundert. München 1984 (= MTU 74), S. 254-258.
  • Mihm, Arend: Überlieferung und Verbreitung der Märendichtung im Spätmittelalter. Heidelberg 1967 (= Germanische Bibliothek), S. 144.
Anschrift Herzog August Bibliothek

Handschriftenabteilung Lessingplatz 1 D-38304 Wolfenbüttel

Bearbeiter Kathrin Wenzel

Transkription

[1. Reihe]

<211ra>


(1) Das sein Spruch der heyligen(n) lerer

vnd wie got vnser her Spricht

Wer getauft ist vnd rechte(n) criste(n) glaube(n) bestat

Vnd wer got vnd seine(n) negste(n) getreulich lib hat

Vnd hie leydet vngemach vnd pein

Der wirt got ewigklich pey got sein


(2) Magnus Albertus spricht

Wen der mensch recht bedecht wer er were

Oder von wem er wer kumen herre

Vnd was aus im solt werden

So wurd er pillich nymer fro auf erden


(3) Au+"gustinus spricht

Es ist auf erden kein ersckrocklicher dingk

Dan das sich der mensch wigt also geringk

Das er nicht von seine(m) vnrechte(n) lebe(n) lat <211rb>

So er doch in einem vnsichern leben stat


(4) Aügustinus schreybt vnd hat gesproche(n)

Das kein vbel pleybt vngerochen

Vnd pleibt kein gutheyt vnverloren

funf dinck sein hat ytlichs seinen orn

Die findt man alle an eim thor

schnelle wort vnd vil vmb sehen

Vnd yderman getraw+" vnd nach sehen

Vnd erkennet nicht seinen freint

In vnterschiden fur sein feint


(5) Augustin(us) spricht

wem nachrede(n) wol gefelt

Der sey+" von dem tisch gezelt


(6) Bernhardus Spricht

Mensch dü müst sterben(n) do fur hilft dich nicht

vnd weyst auch nit auf welche zeit dz geschicht

So weystu+: auch nicht wie es deiner arme(n) sel wirt gan

Darumb so soltu pillich ablan


(7) Bernhard(us) spricht

lieb warhayt vnd gerechtikeyt

Sein drey der obersten seligkeyt


(8) Gregorius spricht

Such zü dem ersten das gottes reich

Vor vnd ee du vnterwindest deich

hore auch do bej ein meß ob dü macht

wiltu+: den peten das thue mit andacht

vnd hab rew vber dein su+"ndt

So wirt dein sel heil vnd gesu+"ndt<211va>


(9) Crisostimus Spricht

Mensch las dir aüf erden nichts so lip sein

das dü vergessest gottes des herren dein

Betracht teglich die marter vnd das leiden

So wil er dich ewigklich nicht vermeiden

vnd wer sich auch selber erkennen wol

das thü newr das er thu+"n sol


(10) Aristotiles Spricht

Mensch du+: solt got dancken fru vnd spot

dz er dich geschaffen vnd nach jm gepildet hot

Vnd danck im auch do pey in rechter begir

aller der gutheyt die er hat verlihen dir


(11) Aristotiles ein ler fur sich nam

vnd zü dem grossen allexander kam

ir solt nit geselschaft hant

mit menschen die sein vnbekant

Vnd offenbar nit leichtlich mit scherczen

die heimlikeyt deines herczen

gelaub nit was dü horen machst

Vnd behalt das das dü hast

einem verlogen freunt vnd frawen

Der keinem soltu+" nit trawen

Dü solt nit sein ein betruber huter

Von dem verlust hie deinen guter

Dü solt nit reden zwischen peden

Weyßlich vnd keim zü nahent reden

Vnd solt nit kriegen zu keiner frist<211vb>

Mit keym mechtiger(e)n den du+. pist

dü solt dich frewen zü keiner zeit

deins nechsten widerwertigkeit

jn allen deinen sachen vnd dingen

soltü güt ret geben vnd pringen

Vnd merck den eben den anfanck

das mittel vnd den außganck


(12) Beda Spricht

wen dü auf stast oder nider gast

wen dü auch essen wilt oder gegessen hast

So lob vnd danck got dem herr(e)n

Vermagestu+. es so gib almüsen gern


(13) Bona ventura spricht

Mensch wiltü ewigklich wonen pey got

So vorcht in vnd halt seine gepot

Wiltü dan has vnd anfechtung vberwinde(n)

So vermeid totsund auf diser erden


(14) Seneca Spricht

Wer nach der werlt wollust vnd ee stat

Vnd wem es in seinen sunden wol gat <212ra>

Es ist an allen Zweyfel gewisz

Das er kumpt in ewige verdampniß

Vnd wer gelipt vor andern werde(n) wil

der traw dem selben liebes vil


(15) Seneca spricht

het sunt nit sunde(n) name(n)

dennoch wolt ich mich sunden schamen


(16) Paulus Spricht

Wiltu got diene(n) so mu+.stu+. die welt lan

Wan nymant Zweie(n) herrn dienen kan

dinstü der welt so vndinstu+. got

dinstu+. aber got so kumstu nit in ewige not


(17) Jeronimus Spricht

Me(n)sch sunt nit auf gotes barmhertzikeit

Las dir deines nestes trubsal wesen leit

Betracht dis <dis gebessert aus diz> zergencklich leben in disem elende

Vn(d) spar deine werck nit pis an dein ende


(18) Ambrosius spricht

Es ward der sunder als gros nye

het er rew vnd leid vmb sein sund hie

So wil sie Jm parmhertziglich vergeben

Thut er es anders bey zeit dz merck eben<212rb>


(19) Boecius Spricht

Boecius hat geschriben vnd gesprochen

Vnd sagt kein dinck pleib nicht vngerochen

So pleybt auch kein gu+:theit nicht vnbelonet

Wol dem der got zu+. allen zeiten schonet


(20) Ysiderus spricht

War an dir nicht fast ist gelegen

Des erwige dich vnd las es vnterwegen

Vnd wart den zü das do nutzlicher ist

Vnd darzü dü von not vn(d) eren wege(n) gepu(n)d(en) pist


(21) Freydanck spricht <a.R. von andere Hd.: Nota>

Wiltü mit rwe sein vnd mit gemach

So red wenig vnd verantwort nit allesach

Schweig vnd vbersih vn(d) gib deine(m) oberste(n) enpfor <über -or eine r-Schleife>

Vnd wo po+ese geselschaft ist do hut dich vor <212va>


(22) ypocras spricht

Mit deine(n) dingen soltu+. nit vil wunders treybe(n)

thu+:e hubschlich vnd las es pey eine(m) gleiche(n) pleybe(n)

Spar fur dich vnd wird nit zu+. vil vnu+"cz an

Wan wer vast geudet der mag nit la(n)g bestan


(23) Platho Spricht

Der ist wert der do hab oder güt hat

wen im aber der gewalt vnd das gut entgat

So ist er vnwert vnd man sicht in kaw+:m an

Das bedenck eben pistu anders ein weys man


(24) katho spricht

Lob yderman dofur er ist

Rede nymancz vbel zu+. keiner frist

Sag auch nymant wer er ist

So sagt dir auch nymant wer dü pist


(25) Dauid Spricht

Das dir schant oder scham ist das fleuh

Vnrechtes gu+"t dich nicht vnzeuge

Vnd ner dich deiner hant arbait

Vnd verschweig auch was man dir hey(m)lich sait <212vb>


(26) Salomon sprach

Was du+" tüst das vah weyßlich an

Vnd betracht ditz end vn(d) merck wz da(r)nach w(ir)t gan

Bis in geheim gehorsam vnd halt dich slecht

Dise lere hab dir von mir armen knecht


(27) Got der beschleust das vnd Spricht

Wiltü ein rechter richter sein

So nym pey der rede eben ein

Pistu der sach den nit weys zú diser fart

So bedenck dich eben vnd halt der weysenrat

Vnd vrteil den nach deiner vernüftigkeit

nymant zu lieb noch zu leit

Einer parthey als der andern

So magstu+. recht besten zü wandern

Vnd du+. auch gleich lieb hab

Vnd sich nicht an freuntschaft noch gab

Vnd hab got lieb vor allen dingen

So mag dir nymer misselingen


[2. Reihe]

<244vb>


(1) Seneca Spricht

Das sund nit schad vnd sunde wer     [~ Freidank 40,5-7]

doch dannoch sol sie sein vnmer

Vmb ir grosse vnfletigkeyt

Das lert mich die bescheydenheyt


(2) Salomon

Hort aller weßzheyt fundament

jst das man got liebt vnd erkent

vnd sol an peten ainen got

vnd fleyssig halten sein gepot


(3) Dauit

Ein anbegynn aller seligkeyt

Forcht got pringt ewige weysheit


(4) Aristotiles

furwar ich euch das alle(n) kund

was schannde ist das ist auch sund


(5) Oseas Spricht

Wer strebet nach gerechtigkeyt

Der hat dem vnrecht widerseyt


(6) Moyses

wer gutes weys vnd arges tu+"t

der sundet mit verdachtem müt<245ra>


(7) katho spricht

bedenckt was du pist vnd solt werden

Dü seyst ju+vnck oder alt au+"ff erden


(8) Amos

gerechtigkeyt ist hie ein hort

vnd pringt vns ewig frewde dort


(9) Ezechias

Gar mancher weys des rechten vil

der doch vnrecht nit lassen wil

fur reichtum vnd fur alles gu+"t

jst ein hort wol das man recht tu+"t


(10) Freydanck

Hort ich hab gu+"t das ist nit mein

ach lieber got wes mags dan sein

es stet nit mer zü meim gepot

Dan ich verzer vnd gib durch got <245rb>


(11) Job Spricht

merke mensch vnd pist dü gern allein

So halt dein syn vnd dancken rein

vnd fleys dich der zehen gepot

vor allen dingen lieb dü got


(12) helyas Spricht

Welcher mensch dise kurcze zeit     [= Freidank 1,7-10]

fur die ewigen frewde geit

furwar der hat sich selbs betrogen(n)

vnd zy(m)mert aüff ein ey(n) <sic> regenpogen


(13) Jeronimus

wer jn der werlt güt vnd er hat

vnd im wol in sein sunden gat

das ist ein zaichen vnd ey(n) flusz

dor der ewigen verdamptnusz


(14) Von ainem got ist ein vrspru(n)ck

Hort seyt ein mol das ein got ist

als man jn der geschrift vns list

der alles ist ein vrsprungk

den sollen loben alt vnd ju+"nck