Gkl:kommentar:kap33

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Das Drey vnd dreissigst Capitel

(Gargantua, Kap. XXX)

Zusammenfassung

Nachdem der Brief aufgesetzt ist, schickt Grandgousier seinen Rat Ulrich Gallet zu Picrochol nach La Roche-Clermault. Unterwegs erwägt er Argumente, die ihn in Überbringung und Darlegung der Botschaft unterstützen könnten. Bei der Furt angekommen, fragt er den Müller um den Stand der Dinge vor Ort. Der rät ihm, nicht weiter zu ziehen, denn die Wachen seinen äußerst unberechenbar. Gallet übernachet bei ihm. Am nächsten Morgen gibt er sich mit der Trompete als Gesandter zu erkennen und verlangt von der Wache mit Picrochol zu unterhandeln. Der lässt ihn vor dem Tor stehen und fragt ihn vom Stadtwall herab, was sein Begehren sei. Worauf die Ansprache Ulrich Gallets folgt (in Kap. 34).

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/ 311 / Titel

  • Vlrich Gallet ] Garg. "Ulrich Gallet".
  • Bittergroll ] Verballhornung von Garg. "Picrochol"; vgl. gr. πικρός, 'vom Geschmack, herb, bitter' und gr. χολή, 'Galle, Zorn, Groll'.

Absatz 1

  • angeben ] angeben, v. , 'diktieren, in die Feder geben', hier part. prät. (DWB 1, 337); 'etw. anführen, aufzeichen, schriftlich festhalten' (FWB, anführen 6).
  • Grandbuchier ] Garg. "Grandgusier".
  • Secretari ] m. 'geheimer Rat' (eines Fürsten), auch 'Schreiber, Geheimschreiber, Sekretär' (DWB 16, 405)
  • einbringen ] v., 'vorbringen, proferre' (DWB 3, 158: einbringen 6).

Absatz 2

  • Welt vnd Eißvogel ] Eisvogel, m. "gilt auch von einem schlauen, listigen menschen" (DWB 3, 381, mit dieser Stelle und Kap. 38, S. 449: "als ein durchtribene Eißvogel"); Weltvogel, m. hier 'ein welterfahrener Mensch' (nicht im DWB).
  • flick ] adj., 'flügge' (DWB 3, 1773, mit dieser Stelle); hier (zum Fliegen) 'bereit, fähig'
  • auff stück vnnd tück ] Stück, n. 'Übeltat, Streich', "bis ins 18. jh. oft formelhaft tück und stück oder umgekehrt" (DWB 20, 222: Stück D 2 f γ); Tücke, f. 'Arglist, Bosheit' (DWB 22, 1525).
  • halb wüllen vnd halb härin/ wie des Juden Grama ] Hans Sachs: Schwanck: Der Jued mit dem geschünden grama = Sachs: Fabeln und Schwänke Bd. 2, Nr. 254 (Hinw. Hauffen 1908, 279); dem Grama (Groman, m., 'graues Pferd', DWB 9, 442-444; vgl. DWB 8, 1771) wird die Haut abgezogen, als Ersatzhaut wächst ihm vom Baumöl, mit dem es eingesalbt wird, ein Fell aus Baumwolle. Als Wundertier wird er von dem Juden durchs Land geführt.
  • wüllen ] wollen, adj. 'von, aus Wolle' (DWB 30, 1325 f.), Nebenformen "wüllen", "wöllen".
  • härin ] adj. "aus Haar, grober Wolle gewoben oder geflochten" (Schweizerisches Idiotikon, Bd. 2, Sp. 1513).
  • auff Janisch ] so wie der zweigesichtige römische Gott Janus, der nach vorne und nach hinten sehen konnte.
  • weißget ] weißigen, weißgen, v. 'weiß streichen, tünchen' (DWB 28, 1217); hier wohl gemeint, von oben vom Storch im Flug mit Vogelkot bekleckert? (Hinw. Nyssen).
  • wie ein Hund inn Flöhen ] sprichwörtl. Redensart: "Wie der Hund in Flöhen" (Wander: Hund 1761); vermutlich Vergleich mit dem unruhigen Verhalten von Hunden, die unter Flohbefall leiden.
  • spintisirt ] spintisieren, v. 'grübelnd nachdenken oder ergründen' (DWB 16, 2550).
  • redet wie ein Comedischer gesanter vom Himmel mit jm selber ] Fischart meint das Beiseitesprechen, die Selbstgespräche der Figuren, um deren geheime Gedanken dem Zuschauer zu offenbaren. Vgl. Fischart: Prakt. C (1574, D 6r; SW 1, 361): "Reden wie die offenheimliche Comedische Spilpersonen vnd Chremetes mit jnen selber". Chremes, ein Jüngling aus der Komödie Eunuchus von Terenz, Bruder der Thais, führt zu Beginn von Akt. 3, Szene 3 ein Selbstgespräch: "Profecto quanto magis, magisque cogito ...". Ebenso Chremes, der Greis in der Komödie Heautontimorumenos (Einer straft sich selbst), ebenfalls von Terenz, Akt. 3, Szene 1: "Luciscit hoc iam. césso pultare óstium - Im Fastnachtspiel vom Gott Apoline/ vnd dem Römer Fabi (Hans Sachs: Sehr herrliche, schöne Gedicht 3 (1561), Tl. 3, Bl. XXXIV v) spricht Apollo einen an sich selbst gerichteten Monolog: "Ach Apolo steig ab vom Himel Zu schawen das Menschlich gewimel Wie es gleich einem Amas hauffen Ahn rue thut durch einander lauffen ..." - Sachs: Werke (BStlV) noch einmal gründlich durchsehen.
  • O wie gehts so vbel zu ... doch bleibt er stäts das Haupt seiner Läuß etc. ] Der umfangreiche Absatz enthält einen inneren Monolog des Gesandten Ulrich Gallet, voll von (erfundenen!) Sprichwörtern und historischen Exempeln über den Hochmut, die Willkür und den rechten Umgang der Untertanen und fürstlichen Ratgebern mit Fürsten und Tyrannen. - "Die Sprichwörter verurteilen hier den Tyrannen Pikrochol und nehmen die Bestrafung durch die Gargantisten vorweg." (Bulang 2010a, S. 54 f.) Von den bei Gerke (1953) ausgezählten 370 Sprichwörtern des Romans stellen allein die hier von Fischart für den Monolog Ulrich Gallets erfundenen etwa ein Zehntel des gesamten Bestands in der Geschichtklitterung.
  • wa freuel die Trommen schlegt vnnd hoffart das Fänlin tregt ] Frevel, m., 'Übermut, Trotz, Frechheit, Bosheit' (DWB 4, 173-175). Die Trommel schlagen und das Regiments-Fähnlein tragen sind hier Bild für 'zu Felde, in den Krieg ziehen'. Vgl. zum Sprichwort Wander: Frevel 9 (ohne Nachweis).
  • wann der Fuchß ... Balck zerreist ] Sprichwort bei Wander: Fuchs 277 (nach Fischart).
  • schmeißt ] schmeißen, 'mit Schmutz werfen'; 'scheißen' (DWB 15, 1006, schmeiszen 4).
  • balck ] Balg, m., Tierhaut, die als Ganzes abgezogen wird (DWB 1, 1085).
  • wann ein Schaf ... Fell darstrecken ] Sprichwort bei Wander: Schaf 242 (nach Fischart); vgl. ders.: Schaf 264.
  • darstrecken ] v., 'darreichen, darbieten, hingeben, aufopfern' (DWB 2, 793).
  • Wer den Kopff bekompt, der schär den Bart ] "Das Sprichwort stellt das Erbschaftsrecht unter einem Gleichniss dar. Nach demselben soll der überlebende Ehegatte, welcher den Kopf (d.h. die Person des Verstorbenen als Hauptsache) gleichsam besessen, auch den Bart (dessen Güter als Nebensache) erhalten." (Wander: Kopf 421, Sp. 1516 f. mit Verweis auf Waldis: Esopus IV,3, V. 26, wo der Wolf sich das Sprichwort zu eigen macht und das Schaf frisst). Vgl. auch DWB 11, 1752 (Kopf II A 2 g) mit Zitaten aus Jakob Ayrer (Dramen. Hrsg. von Adelbert von Keller. Bd. 3 Stuttgart 1865, hier S. 1811 (Ausg. O [1605], 361b): "Vnd wem der kopff wird auff der fart, Der hat macht zu scheren den part" und Ayrer: Historischer Processus Iuris (Frankfurt/M. 1612, Tl. 1, Kap. XII) "Moyses sprach: Ey komme nur her/ vnnd versuche/ was du nicht gerathen wilst/ wem der Kopff wird, der schere darnach den Bart" (S. 319). - Eine ähnliche Stelle aus Fischarts Bienenkorb (1588), 93 v: "man wagt ehe kopf und bart daran" wird vom DWB (Bd. 11, 1751) zu den Belegen der "wendungen vom kopfabschlagen" gerechnet (Kopf II A 2 e ζ).
  • will man da Wecken einschlagen ... darauff schlagen ] Vgl. Wander: Wecken 2: "Wer Wecken (Keile) will einschlagen, der muss derb draufschlagen" (ohne Nachweis).
  • Wecken ] Weck, m., f. 'Keil' (DWB 27, 2784-2786, Weck II 1 c, mit dieser Stelle).

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  • es verlirt ehe einer etwas beim dantz ] sprichwörtliche Redensart, bei Wander: Verlieren 67 (nach Fischart). Wer sich beim Tanz erfreut, kann auch Dinge, die er bei sich trägt, verlieren (variiert das voraufgehende 'Ohne Leid kein Freud').
  • Reyen vnd frewen pringt rewen ] Sprichwort bei Wander: Reihen 4 (ohne Nachweis); reihen, v. 'tanzen' (DWB 14, 650 f.).
  • die helle Morgenröt/ pringt offt ein wüßt Abendröt ] Wander: Morgenröthe 3: "Helle Morgenröthe bringt oft wüste Abendröthe" (ohne Nachweis).
  • je höher je gäher ] Wander: Hoch 33; gähe, adv. "rasch, von höchster schnelligkeit oder eile" (DWB 4, 1144).
  • ja höher je mehr dem fall näher ] Wander: Hoch 26: "Je höher, dem Falle je näher".
  • Obohe ] Interj., vgl. ohe. - S. Kap. 25 (Spielkapitel), S. 323 "O bohe daß Habichnest".
  • Risende Bören fallen gern inn die pfitz ] vgl. Wander: Beere 9: "Wann de Beare riype ies, dann fällt se mehr in'n Dreck, äs up'n Räusenblatt (Westf.)". - reisen, risen, v. 'niederfallen' (DWB 14, 731-739); Böre, f., "im 16 jh. verschiedentlich geschrieben für bere, beere" (DWB 2, 240); Pfitz, f. Nebenform von Pfütze, 'Wasserlache' (DWB 13, 1817-1819).
  • er thut erst seim namen ... genug wie Nabal ] Vgl. 1 Sam 25,25: "Mein Herr setzte nicht sein Herz wider diesen Nabal, den heillosen Mann; denn er ist ein Narr, wie sein Name heißt, vnd Narrheit ist bei ihm". Nabal (‎נָבָל nābāl) geht zurück auf ‎נבל nbl 'töricht (sein)'; die Bedeutung 'Tor, Narr' passt zur Persönlichkeit des Namenträgers. Vgl. die Erwähnungen Nabals in Gkl., Kap. 4, S. 85, 93, Kap. 10, S. 208.
  • Bitter ] in der Mundart der Sachsen wird der Eigenname ein sprechender (so wie bei Nabal).
  • gleich wie jene Witfraw kein Andres mehr wolt ] Anekdote nicht ermittelt (aus einem der Schwankbücher der Zeit?)

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  • Endersköpffen ] in Analogie zum Peterskopf ein 'anderssinniger Kopf', dessen Inhaber stets etwas andres will; Enders, NF von Andreas.
  • Petersköpff ] Peterskopf, m., 'eigensinniger Kopf', 'Rechthaber', 'Eigensinn' (DWB 13, 1578); vgl. Wander: Peterskopf 1-4; Thomas Murner: Narrenbeschwörung, Kap. 85: "Der peters kopff" (Unbelehrbarer, der nicht von seinem Eigensinn lassen kann).
  • Pickerocholts ] Variante von Picrochol (s.o.)
  • gelehrnet ] "von den schriftstellern des 16. jahrh. schreibt vorzüglich Fischart gern lehrnen" (DWB 12, 762).
  • Käßmaden ] Käsemade, f. 'Made im Käse' (DWB 11, 254).
  • weil am Krebs der schwantz dem kopff gleich ist ] der Schwanz des Krebses gleicht durchaus nicht dem Kopf. Jedoch beschreibt Gessner: Fischbuch (1575), Bl. CXVII r auf diese weise den Cancer ("Von dem Krab ... Cancer. Ein Krab"): "Der schwantz ist allen an den leyb vnden gelegt/ auß welcher vrsach sy sich rond bedunckend/ vnd von Aristotele one schwentz beschriben werdend. Die Kraben habend kein kopfff noch halß ...".
  • wie Keyser Caligula ] Caligula ('Stiefelchen'), Beiname des Gaius Caesar Augustus Germanicus (12-41), römischer Kaiser (37-41). Dass Gaius Caligula schon als Säugling den Ammen in die Brüste biss und als tyrannischer Kaiser das Blut von den Dolchen leckte, findet sich nicht bei seinen Biographen Sueton: Gaius Caligula und Dio Cassius: Historia Romana LIX. Beide Anekdoten wurden von Antonio de Guevara erfunden und im 16. Jahrhundert breit rezipiert. Antonio de Guevara: De l'horloge des princes. Paris 1561, second livre 2, Kap. XXI, S. 186: "Dion le Grec au second liure des Cesars dict, qu'vne mal heureuse femme de Campanie appellée Prescille nourrit & alaicta ce maudit enfant. [...] Aduint vne fois que comme elle alloit donnant la mammelle à Caligule pour vn dueil qu'elle eut, elle desmembra vn enfant, du sang duquel elle oygnit le bout de sa tette, & ainsi feit succer laict & sang à l'enfant qu'elle alaictoit. Le mesme Dion en la vie de cestuy Empereur Caligule dit, que les femmes de Campanie (d'ou estoit ladicte Prescille) auoyent de coustume que quand elles vouloyent donner leur mammelle aux petis enfans qu'elles nourrissoyent, pro mierement elles oygnoyent le bout de leur mammelle de sang de herrisson, à fin que leurs enfans fussent plus cruels, & ainsi fut cestuy Caliguel, car il ne se contentoit de seulement tuer vn homme, mais encores succoit le sang de son espée, ou du poignard, & le lechoit auec sa langue." [Digitalisat] - Antonio de Guevara: Horologium principum, dt. von Conrad Egenberger (1572), Buch II, Kap. 21, Bl. 254r/v: "Dion grecus sagt lib. 2. Cesarum/ daß ein vnselig Weib auß Campania Priscilla genannt/ diß verfluchte kind geseugt habe/ [...] es begab sich ein mal als sie gieng Caligulam zu seugen/ zerrisse sie zorn so sie hatte ein kind/ mit welchs blut sie das ende jrer brüst schmirte/ vnd liesse also das kindt milch vnd blut mit einander einsaugen/ gemelter Dion sagt in dem leben dieses Keysers Caligule/ dz die weiber Campanie (daher bemelte Priscilla war) ein gewonheit hetten/ daß wenn sie den kleinen kindern/ die sie seugeten die Brüste geben wolten/ die ende derselben zuuorn mit blute von einem Jgel bestrichen/ auff daß die kinder desto frecher vnd grimmiger würden/ also war auch dieser Caligula/ dann er sich nicht benügte ein menschen zuerstechen/ sunder leckte auch mit seiner zungen das Blut von seiner Wehr oder Tolchen". [Digitalisat]
  • Säugammen ] Säugamme, f., 'Amme, welche fremde Kinder säugt' (DWB 14, 1887).
  • Dütten ] Dutte, f. , 'weibliche Brustwarze', auch die ganze Brust (DWB 2, 1768-1771).
  • Tolchen ] Dolch, Tolch, m., 'Stechmesser', kurzer Degen (DWB 2, 1222; vgl. 21, 631).
  • der Ambos erschrickt nicht vor dem Hammer ] Wander: Amboss 2: "Der Amboss erschrickt vor dem Hammer nicht" (ohne Nachweis).
  • wer gern zuthun hat/ dem gibt Gott zuschaffen ] Die Deutschen Sprichwörter. Gesammelt (von Karl Simrock). Frankfurt/M. 1846, Nr. 10297: "Wer gern zu thun hat, dem giebt Gott zu schaffen" (ohne Nachweis); Wander: Thun 325 (diese Stelle); vgl. Thun 327: "Wer gern zu thun hat, der macht sich zu thun" (auch holländisch).
  • dieweil die Weiber allzeit müssen klagen/ darumb schickt jnen Gott allzeit plagen ] Wander: Weib 1167: "Weil die Weiber allzeit müssen klagen, so schickt jhn Gott allzeit Plagen; auff dass sie haben zu sagen" (von Gruter III, 1612 aus Fischart übernommen).
  • Wer dir dz hauß abpricht/ dem biet zutrincken/ dann er hat müh ] Wander: Haus 446 (nach Fischart).
  • daß der ältst Philosophus Pythagoras ... da er ein Frosch/ als da er ein König war ] In Lukians Dialog 'Der Traum oder der Hahn' ist Pythagoras sieben Mal wiedergeboren: als Euphorbus, Aspasia, Krates, König, Pferd, Frosch und Hahn; Lucian: gall. 20: "(Micyllus) They say that while you were Pythagoras and young and handsome you often played Aspasia to the tyrant. But what man or woman dig you become after Aspasia? (Cock) The Cynic Crates. (Micyllus) Twin brethren! what ups and downs! First a courtesan, then a philosopher! (Cock) Then a king, then a poor man, and soon a satrap; then a horse, a jackdaw, a frog, and a thousand things besides; it would take too long to enumerate them all." (LCL 54: 212/213). In gall. 24 fragt Micyllus den Hahn (Pythagoras), ob er nicht als König vollkommen glücklich gewesen sei. Das Gegenteil sei der Fall gewesen. In gall. 27 fragt Micyllus nach der Qualität seines Lebens als Pferd, Hund, Fisch oder Frosch. Es gebe kein sorgenfreieres Leben als diese, ist die Antwort. - Vgl. zur pythagorischen Seelenwanderung noch Diogenes Laertius: Pythagoras VIII,4 (Herakleides Pontikos beschreibt, daß Pythagoras von sich selbst behauptete, vollständige Erinnerung an seine frühere Leben - als Pflanze, als Tier, als Aithalides, Euphorbos und Hermotimos - zu haben). - Die pythagorische Seelenwanderungslehre findet sich auch in Ovids Metmorphosen XV, 160 ff. (ohne des Pythagoras Namen zu nennen, aber dies war aus den Kommentaren zu erfahren) und bei Aulus Gellius: Noctes Atticae, IV,11,14 (als Euphorbus, Pyrrhus Pyranthius, Aethalides, und als Dirne Alco).

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  • dieweil die Frösch ... nur gern inn dem Land/ da fromme Leut sind ] fromm, adj. hier wohl am ehesten 'ordentlich, ehrlich' (DWB 4, 242: fromm 4), nicht 'gottesgläubig', lat. 'pius' (DWB 4, 243 f.: fromm 6); warum die Frösche nur dort gerne leben: nicht geklärt.
  • ungestüme ] Ungestüme, Ungestümi, f., 'Unwetter, lauter Sturm', (Schweizerisches Idiotikon XI, 441-443; vgl. DWB 24, 882).
  • darumb sind sie nicht inn Engelland ] Zedler Bd. 18 (1738) Sp. 1176, dass "noch diese Stunde in Engeland kein einiger quackender Frosch, sondern lauter stumme, nach Becmanns Bericht in seiner Geographie, gefunden werden, daher einige irrig geschrieben, daß in Engelland gar keine Frösche wären." - Erwähnt bei Franz Muncker: Anschauungen vom englischen Staat und Volk in der deutschen Literatur der letzten vier Jahrhunderte. I-II. München 1918. 1925 (= Sitzungsberichte der Bayerischen Akadmie der Wissenschaften; Philosophisch-philologische und historische Klasse 1918, Nr. 3, 1925, Nr. 1)], hier Tl. I, S. 19: "meint ein andermal satirisch, in England gebe es keine Frösche, weil diese nur gern in einem Lande wohnten, wo fromme Leute sind".
  • die Häuser glückhafft/ darauff die Storcken nisten ] HWA, Bd. 8 (1987), Sp. 499: "Wie sein Name Adebar besagt, bringt er dem Haus, auf dem er nistet, Glück, es bleibt vor Blitz und Feuer bewahrt (allgemein)."
  • Diebsfleysch ] Adhoc-Prägung Fischarts (nicht im DWB); weil die Diebe am Galgen gehängt wurden und die Raben sich von ihrem Fleisch nährten; Spengler (1969), S. 101 (zur Wortbildung); vgl. Wander, Rabe 11: "Der Rabe frist Diebsfleisch, darum ist er diebisch" (nach Lehmann: Florilegium politicum. 1630, S. 191), dazu wird diese Stelle aus der Gkl. zitiert.
  • Cartheuser ... vnfläter/ weil sie eitel flegmatische Fisch fressen ] Zedler 5, Sp. 1158: "Carthäuser, ein geistlicher Orden ... halten eine strenge Fasten, ... enthalten sich alles Fleisches, auch so gar, wenn sie kranck sind ...".
  • flegmatisch ] 'schleimig'; vgl. Phlegma (DFWB 2, 505 f.: "Phlegmatisch Adj. 'kaltblütig, schwerfällig, gleichgültig'); griech. φλέγματικός, lat. phlegmaticus 'schleimig' (ebd.); "ohne Glück verdeutscht" in den Glossaren des 15./16. Jhs. "mit chalt, rotzig; koderig u.a." (ebd.). - Phlegma (Schleim), einer der vier Körpersäfte, der im Übermaß den Menschen träge, schwerfällig werden lässt. In der Ernährungslehre der Zeit als kalt und feucht (und geschmacklos) gedeutet. "Alle Fisch so in gmeynem brauch/ sind natürlich kalt vnd feucht ... Alle Fischwerk sind vndäwlich/ von wegen jrer kelte vnd schleimigkeit." (Von allen Speisen und Gerichten etc. [...] Durch den hochgelerten vnd erfarnen Platinam/ Babst Pij des II. Hoffmeyster. Straßburg: Christian Egenolph 1530 [VD16 K2499], Tl. I, Bl. I r).
  • die Pintzgäwer kröpffig ] kröpficht, kröpfig, adj., einen Kropf (Stroma) aufweisend (DWB 11, 2402); s. o. Kap. 16, S. 260, "du Kropffiger Bassist"; Kap. 7, S. 151: "mit kröpfigen hunden auß". (hetzen). Die Landbevölkerung des Pinzgau im Salzburgischen gilt im Allgemeinen als das Gebiet schlechthin für die Ausbildung eines Kropfs: "ein Binzger beurin/ mit eim grossen kropff/ solt sie den nit haben/ er meynt sie were ein genßskragen [Gänsehals] vnd hette jre glider nit alle", Franck: Sprichwörter 2, Bl. 69r; "da so grobe leut woneten/ wie inn Teutschland die Bintzger kröpffeten baurn", Franck: Sprichwörter 2, Bl. 49v. Als Ursachen für den Kropf gelten: Feuchte des Haupts, kaltes Wasser oder wie hier: fauliges Wasser. Letztere sind schon recht nahe an der heutigen Erklärung, dem mangelnden Gehalt an jodierten Salzen im Trinkwasser.
  • die Sachssenkerles Falbbärtig ] Sachsenkerles, m. s.o. Garg. Kap. 32, S. 411. - falbbärtig, adj. 'von falber (gelber) Farbe' (DWB 3, 1268; nur diese Stelle). - Vgl. Bodin: Republique (1577), V,1, S. 519: "Mais depuis la coste Baltique, iusqu'au xlv. degré tirant en ça, les peuples ont ordinairemente le poil blond"; Bodin: Respublica dt. (1592), V,1, S. 496: "Was aber vmb den Ostersee/ das ist/ vnder dem fünf vnd viertzigsten Grad wanet, haben fast ein gelbes Haar/ wa sie nicht anderswaher kommen sein."
  • die Frantzosen schwartzbärtig ] Fischart ist hier von Jean Bodin inspiriert, der in dem ersten Kap. des fünften Buchs seiner République auführlich über den Einfluss des Klimas, der Feuchtigkeit, der Ernährung auf die Beschaffenheit, die Hautfarbe, den Charakter der Einwohner der Länder spricht (Bodin: Respublica dt. [1592], V,1, S. 492-519).
  • leppern ] läppern, v. 'schlürfen' (DWB 12, 199); mit dieser Bedeutungsangabe nicht im FWB (leppern). Vgl. Schweizerisches Idiotikon III, 1349 (s.v. läpperen).
  • Aber an Spanniern fehlets ... Pechschwartz wie König Balthasar ] Die Spanier 'widerlegen' die Theorie Bodins vom Einfluss des Klimas oder der Ernährungsgewohnheiten auf die Beschaffenheit der Menschen: Als Weißbrotesser müssten sie hellhäutiger sein.
    • Lit.: Hauffen (1902), trägt S. 650, Anm. 2 über diese Stelle hinaus weitere Zitate herbei, in denen die Spanier wegen ihrer dunklen Haut, ihrer geringen Körpergröße und Geilheit verhöhnt werden. - Arturo Farinelli: Marrano (Storia di un vituperio). Geneve: Olschki 1925, S. 59, Anm. (dies. Stelle). - Dietrich Briesemeister: "Die spanische Verwirrung" (J. W. von Goethe). Zur Geschichte des Spanienbildes in Deutschland. In: Jahrbuch Preußischer Kulturbesitz 34 (1997), S. 291-311, hier S. 299 (diese Stelle, als Beleg für "Rassische Vorurteile" und religiösen "Fanatismus" Fischarts); ders.: "allerhand iniurien schmehkarten pasquill vnd andere schandlose ehrenrürige Schriften vnd Model". Die antispanischen Flugschriften in Deutschland zwischen 1580 und 1635. In: Wolfenbütteler Beiträge 4 (1991), S. 147-190, hier S. 173 (dieselbe Stelle; "Fischart verfügt über ein besonders deftiges Schmähvokabular"); beide Beiträge auch in Ders.: Spanien aus deutscher Sicht. Deutsch-spanische Kulturbeziehungen gestern und heute. Hrsg. von Harald Wentzlaff-Eggebert. Tübingen 2004, S. 97-112, hier S. 102 f. und S. 145-174, hier S. 168.
  • stiffelbraun ] adj., s.o. Kap. 8, S. 165.
  • Pechschwartz ] adj. (DWB 13, 1521).
  • wie König Balthasar mit seim Affen ] Das Attribut des jüngsten der drei heiligen Könige, Balthasar, des Königs von Saba, der ab dem 15. Jahrhunderts als 'Mohr' in Tafelmalerei und Bildhauerei erscheint, ist die Weihrauchbüchse. Mit einem Affen wird er auch am Straßburger Münster (Laurentius- oder Nordportal) nicht dargestellt, sondern mit einem Schoßhündchen. [Bild] - vgl. Kap. 6, S. 147: "wie die Pechstinckende der trei Heyligen König Melchior Morenschiff von Cöllen" - nicht geklärt.
  • Thoren vnnd Morenkönig inn Moria ] Das biblische Land Morija (Gen 22,2), wo Isaak geopfert werden sollte, wird hier mit dem gr. Wort μωρία, 'Torheit, Einfalt' überblendet (somit ist Balthasar auch ein König über die Toren). Mohrenkönig, m. 'König der Mohren' (im DWB 12, 2474 nur ein Beleg von Uhland); vgl. "Morenkönig" (mehrfach auf dem Titelblatt und in der Flugschrift) in: Botschafft des Groszmechtigsten Konigs Dauid/ auß dem grossen vnd hohen Morenland ... an Babst Clemens den Sibenden ... M.D.xxxiij [1533]. [Digitalisat]
  • ein König ist wie die vnrhu inn der vr ] Wander: König 81 (Sprichwort wohl nach Fischart); Unruhe der Uhr: vgl. DWB 24, 1283 "regler der uhr, librator horologicus"; Fischart: Podagrammisch Trostbüchlein (Fischarts Werke, Tl. 3, Ed. Hauffen, 1894) S. 16, 6: "Daraus dan wol zusehen, das dieweil daß Gemüt im leib wie die vnrů inn der vren"; Garg. Kap. 5, S. 139: (die Ehefrau ist) "die vnrhu in der Vhr"; zur Unruhe in der Uhr (als Teil der Mechanik): Zedler Bd. 49, Sp. 1946 f.
  • darumb nannten die Alten Cimbrer vnnd Triballer das Schiff ein schweiffend Wetterhauß ] Dass ein Schiff von den Kimbern (Cimmerern) und Triballern ein umherschweifenden Haus genannt wurde, findet sich nicht bei Goropius, Lazius, Stumpf und Krantz, den Gewährsmännern Fischarts, die alten Kimbern und Teutonen (und ihre Sprache) betreffend. - Vergleichbar ist nur die Altercatio Adriani Augusti et Epicteti philosophi: "Ad. Quid est nauis? Ep. Domus erratica." In: Berosus Babilonicus: De his quae praecesserunt inundationem terrarum ... Johannes Annius Viterbiensis. 1510, ÖNB 46. &. 62, Bl. 27v [Digitalisat]; auch in: Notitia utraque cum orientis tum occidentis ultra arcadii honoriique caesarum tempora ... Basel: Froben 1552, Bl. r 5 recto. - dass. Französisch: Les responces d'Epictete aux demandes de l'Empereur Adrian. In: La saincte philosophie: Auec plusierus traictés ... Ed. nouvelle. Chalons: Claude Guyot 1600, fol. 25v ("Qu'est-ce qu'vn Nauire? Vne maison errante.")
  • Cimbrer vnnd Triballer ] Cimbri, Sembri (Kimbern), germanisches Volk, das im Gebiet des heutigen Dänemark siedelte (erwähnt bei Strabo, Tacitus u.a.; vgl. Zedler 6, Sp. 52-55). - Triballi (Triballoi), Skythen, die am Unterlauf der Donau siedelten; erwähnt bei Herodot, Thukydides, Plinius, Diodor, Strabo u.a. (Zedler 45, Sp. 577 f. s.v. Triballier: "was ihren Nahmen betrifft, so glaubt man, daß derselbe mit dem Deutschen Worte Trewewallen einerley seyn, wiewohl auch diese Etymologie statt haben kan, wenn man es von dem Treribus herleiten wollte, daß es also eben so viel sey, als Trererwallen, nur daß die Trerer einen andern Ursprung gehabt haben, als welche Thucydides in die Nachbarschafft der Triballier setzet.") .
  • Wetterhaus ] n., (DWB 29, 734, diese Stelle). Ein Haus, das Schutz vor Unwetter bietet (wie das Hirtenhaus). Vgl. Paul Drechsler: Wencel Scherffer und die Sprache der Schlesier. Breslau: Koebner 1895, S. 271 ("Du gabst alleine nur dem Segel gutten windt, | Damit mein Wetter-haus den lauff vollenden könnt." Grob. 277; "das föhrne Wetterhausz", Ged. 43; "ein Wetterhausz auf der strengen Flut desz wilden Oceans", 57). Vgl. Spengler (1969), S. 95, 101 (bloße Aufzählung).


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  • darumb reimt ein Poet Jfgem in der Audientz des Keysers sehr wol. Daß man vil rauherer Wind/ ... ] Aus der Offizin von Bernhard Jobin ist ein Einblattdruck mit einem Holzschnitt nach Vorzeichnung von Tobias Stimmer bekannt, der allerdings einen Verstext von Heinrich Wirri enthält: "Audientz Des ... Römischen Keysers Maximilian/ des Andern ... zu° Speyr auff dem Reychßtag ... Jm Jar 1570" (Straßburg: Bernhard Jobin 1571); Ex. Nürnberg, GNM, Graphische Sammlung, HB 189, Kapsel-Nr. 1255 [Digitalisat], Ex. Berlin, Kupferstichkabinett [Digitalisat]. - Möglicherweise beabsichtigten Jobin und Fischart, einen panegyrischen Einblattdruck 1575/76 mit einem aktualisierten Text zum Reichstag in Regensburg herauszubringen; der frühe Tod des Kaisers (12. Oktober 1576 in Regensburg) scheint dieses Vorhaben vereitelt zu haben. Vgl. zur Diskussion des 'verlorenen' Werks Fischarts und des Einblattsdrucks: Camillus Wendeler: Zu Fischarts Bildergedichten III. 'Audienz des Kaisers' von Heinrich Wirri. In: Archiv für Litteraturgeschichte 7 (1877/78), S. 361-368 = Wendeler (1878b), hier S. 366 f. (verlorener Einblattdruck, vor 1575); Hauffen (1921), II, 412 (ein Entwurf, "der nie vollendet worden ist").
  • Jfgem ] Initialen Fischarts: J(ohann) F(ischart) ge(nannt) M(entzer).
  • wer vil versicht/ denselben vil sorg anficht ] versehen, v. hier 'besorgen, ausrichten' (DWB 25, 1238-1241: versehen 3); anfechten, v. 'belasten, bekümmern' (DWB 1, 328 f., mit dieser Stelle; FWB anfechten 3).
  • wer grosses verricht/ auch grosses pricht ] Wander: Grosses 12 (ohne Nachweis, wohl nach Fischart).
  • was deiten viel Trabanten ] deuten, v. 'bedeuten, anzeigen' (DWB 2, 1038); ²DWB?; Trabant, m. 'Begleiter, Leibwächter' (DWB 21, 941-951); 'Fußsoldat', 'Leibwächter', 'Söldner' (DFWB 5, 327-332: Trabant 1a); Wander: Trabant 1 ("Viel Trabanten, viel Gefahr") und 2 ("Was bedeuten wol Trabanten, als dass gross Gefahr vorhanden"; wohl nach Fischart).
  • was deiten vil Knecht/ als vil gefecht ] Wander: Knecht 119: "Viel Knecht, viel Gefecht" (mit Hinweis auf diese Stelle).
  • besoldete Freund/ besorgte Feind ] Wander: Freund 27 ("Besoldet Freund, besorget Feind"; wohl nach Fischart).
  • vil Volcks vil wachen/ vil Rhät vil sachen ] Wander: Volk 52 (ohne Nachweis, wohl nach Fischart).
  • vil Rhät vil sachen ] Rat, m. 'Ratschläge' oder 'Person, die Rat erteilt' (DWB 14, 163 f.: Rat 4 c; DWB 14, 172 f.: Rat 12); sachen, v. 'streiten, prozessieren' (DWB 14, 1601 f.). Vgl. Wander: Rath 320, 322 und 406.

415

  • Sorgen auff borgen/ vnd borgen auff sorgen ] vgl. Kap. 4, S. 94: "Sorgen macht worgen" (letzeres als "Sorgen macht borgen" bei Wander: Sorgen 51, nach Fischart).
  • sorgen wie die Hund/ die bellen den Mon an/ meinen er wöll ins Hauß steigen ] Wander: Sorgen 54 ("Sorget nicht wie die Hund; die bellen den Mon an, sorgen, er werde ins Haus steigen"; nach Fischart).
  • die Esel mit sorgen sauffen ... so lieb haben sie jhre schöne Ragörlin ] Fischart bietet eine (dem dummen Esel angemessene) Erklärung, warum sie nur widerwillig Wassser saufen; zum sprichwörtlichen Widerwillen des Esels gegen das Wasser vgl. Wander: Esel 160, 317, 320, 342.
  • Gosch ] Gosche, f., 'Tiermaul' (DWB 8, 971 f.); nicht mit der urspr. Bedeutung im FWB ("verächtlich für den menschlichen Mund").
  • Ragörlin ] Ragenöhrlein, n. Spottname des Hasen und Esels (DWB 14, 61, mit dieser Stelle); hier allerdings sind (mit dem Diminutiv!) die langen Ohren des Esels selbst gemeint. Ragor ('Lauscher') ist als Übername zum Familiennamen geworden (etwa Johann Huldrich Ragor, Verf. einer Praktik auf das Jahr 1565 u.ö.; "Metwin Ragohr" als Autor im Catalogus Catalogorum Nr. 467); s. weiter unten den "Ohrentrager".
  • (so lieb haben) wie die Katz jhr Jungfrautäplin ] bezogen auf die Katze, die das Wasser scheut und es von den Pfoten abschüttelt; vgl. [Gkl:text:kap08#170|Kap. 8]], S. 170: "die [Zunge] ich doch lieber netz als ein Katz die Tapen".
  • Jungfrautäplin ] Täpplein, n. (DWB 21, 143, mit dieser Stelle, aber ohne Klärung, was das Kompositum bei F. zu bedeutet hat), Diminutiv zu Tappe, m. f., 'breiter, weicher Tierfuß, Pfote, Tatze' (DWB 21, 139 f.); s. Gkl., Kap. 25#329 (Spielekapitel), S. 329a: "Kätzlin mach ein hasentäplin"; Gkl., Kap. 42, S. 469 "reich mir doch das heilig schmutzhändlin/ daß libe täplin". Jungfrautäplin: vielleicht im Vergleich zu der von einer Jungfrau schüchtern dem Gast oder Besucher gereichten Hand?
  • Gefräß ] n., 'Mund, Maul', 'Gesicht' (als Kraftwort) (DWB 5, 2154; mit dieser Stelle); 'Maul als Organ des Fressens' (Schweizerisches Idikotikon 1, 1317 f. ).
  • blost ] 'bläst'.
  • Ohrentrager ] Ohrenträger, m. , 'Zuträger, Ohrenbläser'; 'Aushorcher', 'Informant' (DWB 13, 1198).
  • versteckst wie der Strauß den Kopff/ vnd entdeckst das loch ] Wie der Strauß seinen Kopf versteckt (und vermeint ungesehen zu sein), verbirgt der Aushorcher seinen Kopf, sperrt aber das Ohrloch weit auf? Über das Verhalten des Straußes: Tertullianus: Liber de velandis virginibus, Kap. 17: ("Noch andere ... verfahren mit ihrem Haupte ebenso verkehrt wie ein gewisses Tier, das, obwohl gefiedert, eigentlich doch kein Vogel ist, das einen kleinen Kopf und einen langen Hals hat und im übrigen hochbeinig einhergeht. Von diesem sagt man, dass es, wenn es sich verbergen muss, bloss den Kopf, allerdings den ganzen, in ein Dickicht stecke, den übrigen Körper aber unbedeckt lasse." Ü. Karl Adam Heinrich Kellner). Zit. in Bibliothek der Kirchenväter [Digitalisat]. Auch bei Gessner: Vogelbuch (1557), Bl. CCXXXVI r: "Er ist so toll daß er seinen halß verbirgt in die hecken oder graß/ vermeint also er habe die breite seines gantzen leybs verborgen/ als Plinius außweyßt." Plin.: nat. hist. X, 1 (2): "its stupidity in thinking that it is concealed when it has hidden its neck among bushes, in spite of the great height of the rest of its body." (Übers. H. Rackham; LCL 353, S. 293)
  • geraht wol pfeiffenholtz ] geraten, v. 'zu etwas werden' (wohl oder übel) (DWB 5, 3172, geraten 9); Pfeifenholz, n. aus frischem Holz geschnitzte Pfeifen; das hierfür taugliche Holz selbst (DWB 13, 1650).
  • oder du wirst zum boltz ] Astschnitzereien, die misslingen (weil etwa die Rinde verletzt wird), können zumindest als (kurze) Pfeile (Bolz, m. 'ein vorne zugespitzter, hinten gefiederter Pfeil' [DWB 2, 234-236]) Verwendung finden.
  • das Zaunschlupfferin ] (lies "das Zaunschlupfferlin"): Zaunschlüpfer, m. (auch Dim.) 'Zaunkönig' (DWB 31, 414); vgl. Kap. 3, S. 70: "Zaunschlipferlin". Vgl. Gessner: Vogelbuch (1557), Bl. CCXXIII v "Von dem Zaunschlipfflin" (ohne die beschriebene Verhaltensweise).
  • die klölin auff das häuptlin ] Kläulein, n. 'kleine Kralle eines Vogels' (DWB 11, 1034); Häuptlein, n. 'Köpfchen' (DWB 10, 619).
  • stehst auff eim Fuß wie der Kranch ] Gessner: Vogelbuch (1557), Bl. CLXVI v: die Kraniche, "welche denn schlaafend/ steckend die köpff vnder die flügel/ stond auff einem fůß vmb den anderen".
  • das nicht ] daß nicht, 'damit du nicht'.
  • fressest Erd/ wie ein Krott ] Kröte, Krott, f. "dasz sie erde fresse, war ein stück des alten aberglaubens, mit dem das thier reichlich umgeben war und ist" (DWB 11, 2417, Kröte 2 c).
  • meint/ sie hab die Erd im Sündflut in jhrem Bauch erhalten ] Fabel?
  • Ja wisch das Gesäß an die Hecken, daß nicht das Häu vertheurst ] “Er wischt das Gesäss an die Hecken, um das Heu nicht zu vertheuren“ (als sprichwörtl. Redensart bei Wander: Gesäss *7, wohl nach Fischart).
  • boltz ] s. oben.
  • heb die füß wol an dich wie der Han/ das kein Pferd im Stall trettest ] Wander: Fuss 58 (nach dieser Stelle).
  • Was frag ich nach den Vögeln/ die mir vber den kopff fliegen ] Wander: Vogel 421 (nach dieser Stelle).
  • Will das holtz nit zun Pfeiffen gerhaten/ ... so gerhats zum boltz ] Wander: Holz 261 (nach dieser Stelle).
  • Sitz auf den arß, so tregt dir kein Mauß kein Stro drein ] Sprichwort: „Setz dich auf den Arsch, so trägt dir keine Maus Stroh hinein” (Wander: Arsch 34), "Sitt up dein Ars, so lopt di nimme Müse in" (Sprichwort aus Osnabrück; Wander: Arsch 35).
  • Herrn sind Katzenart ... so Funckelen sie ] Wander: Herr 497 (wohl nach Fischart).
  • Katzenart ] f. 'vom Geschlecht, von Art der Katzen' (DWB 11, 292, mit dieser Stelle).
  • widerporstig ] widerborstig, adj. 'gegen den Strich' (DWB 29, 925).
  • Funckelen ] funkeln, v. 'Funken von sich geben' (DWB 4, 602, funkeln 1a, mit dieser Stelle).
  • Darumb schreibt gedachter Reimist recht/ gute Rhät haben der Prophetin Cassandre glück ... ] s.o. "ein Poet Jfgem in der Audientz des Keysers", Fischart selbst. - Kassandra (gr. Κασάνδρα), Tochter des Priamos von Troja und der Hekabe. Sie hat die Gabe der Weissagung von Apollon erhalten, der auch versprach sie zu unterrichten, wenn sie ihm wiederum zu Willen sein wollte. Dieses Versprechen soll sie jedoch nicht gehalten haben, worauf Apollo, der die Gabe nicht zurücknehmen konnte, bewirkte, dass ihren Prophezeiungen kein Glaube geschenkt werde (Apollodor III, 151); vgl. Hederich 639-640.

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  • warzuglauben ] wahrglauben, v. (nicht im DWB); vgl. wahrglaubig, adj., 'den wahren Glauben habend' (DWB 27, 812).


416

  • darum wer (wie Euripides sagt) gut das Phoebus selber rhatet vnd warsaget/ weil er nach niemand fraget ] Euripides (um 480-406 v. Chr.): Phoenissae, V. 958: `Phoebus sollte der Menschen einziger Prophet sein, denn er hat keinen Menschen zu fürchten' (sagt Teiresias) ─ anders Leitzmann, S. 17: "Fischart dürfte wohl am ehesten hier Orestes 591 im Sinne haben".
  • Phoebus ] Beiname des Apollon (Hederich, Sp. 1991).
  • Grosen Herrn ... vbel trauen ] Wander: Herr 409: "Grossen Herren vnd schönen Jungfrawen soll man wol dienen vnnd übel (d.h. wenig) trawen, dann jhr Liebe hat Sonnern Art, fället so bald auff ein Dreck als ein Rosenblatt" (zahlreiche Belege, allerdings alle nach Fischart; auch dänisch).
  • Sonnenart ] f., 'vom Geschlecht, von Art der Sonne' (DWB 16, 1631, nur diese Stelle).
  • (jhr beyder lieb) fällt so bald auf ein Kütreck als auff ein Rosenblatt ] Vgl. "die Liebe fällt nich immer uf a Rosenblâd, se fällt ôch amôl uf an Kuhkât (Obernigk)" (Karl Weinhold: Beiträge zu einem schlesischen Wörterbuche. Wien 1855, S. 53; zit. Wander: Liebe 132), mit Verweis auf Gryphius: Horribilicribrifax, Abh. II, Szene 3: "Doch/ die Liebe ist blind und fält wie die Sonne/ so bald auff eine Grase Mücke/ als auff ein liebes Kind" (Ed. Mannack, S. 652, Z. 23).
  • ein ehrlichs erbieten ] Erbieten, n. 'Angebot' (DWB 3, 724).
  • fall die steg ein vnd rumpel nicht ] Stege, f. 'Stiege, Treppe' (DWB 17, 1385-1386); s. Parat, S. 39 "wann einer die Stieg einfellt"; einfallen, v. 'hinein, hinab fallen' (DWB 3, 172: einfallen 8). Vgl. Fischart: Praktik C: "O böse inclinationen vnd neigungen/ wa man die Stiegen einfällt" (Ausg. 1574, Bl. C5 v; Fischart SW 1, 351).
  • der einen heißt die steg hinauff tretten/ der kan einen wider heissen hinab schmettern ] 'Wer einem befielt, die Treppe heraufzukommen, der kann auch befehlen, dass er hinab geworfen wird'; bei Wander: Steg 6 (diese Stelle). - Dies erinnert an Kirchhof: Wendunmuth 2, Nr. 81 (Von einem andern deßgleichen pfarrherrn eine lustige histori, S. 128-130): "der baur ruff seinen knecht, der halff ihm den kasten die stegen herunter werffen"; Wander: Stiege 1 ("Der ein haist die Stigen hinauff gehen, kan jhm auch dieselb wider herab wehren"). - Vgl. Gkl. Kap. 8, S. 183: "wann der Wirt einen die erst Steg hinunder wirfft".
  • Bist zur stubenthür ... wider hinauß ] als Sprichwort verstanden (DWB 20, 187 f.: Stubentür, f., mit dieser Stelle); Wander: Stubenthür (einziger Beleg).
  • Sey nur frölich ... rumpel nicht ] Wander: Fröhlich 21 (nach dieser Stelle).
  • fall die steg ein ] Imperativ von fallen, v. 'zerbrich die Leiter/Treppe!' - oder: 'Fall die Treppe hinunter'?
  • rumpel nicht ] rumpeln, v. 'lärmen, poltern' (DWB 14, 1489-1492).
  • Jedoch/ empfangens auch die Herrn als dann/ wie sie es außgeben: ruffen sie Hotta, so gehts Wust ] Wander: Herr 178: "Die Herren empfangens, wie sie es aussgeben; ruffen sie hott, so gehets Suder" (Lehmann, nach Fischart).
  • Hotta ] interj., Zuruf an Zugtiere, (nach) 'rechts!' (DWB 10, 1844 f.); vgl. Gkl. Kap 15, S. 252, 257
  • Wust ] wist, interj., Zuruf an Zugtiere, (nach) 'links!' (DWB 30, 806); (Hinw. Nyssen); im DWB ebd. zitiert M.A. von Thümmel: "wenn ich hotte schrie, lenkten sie wüste". Vgl. hist (DWB 10, 1580), hüst (DWB 10, 1976), jist (DWB 10, 2326) vgl. 'Er weiß nicht hist noch hott' (DWB 10, 1580)
  • da gibts dann beydes Et Caesar & Nolo ] lat. 'sowohl Caesar als auch "ich will nicht"' - vgl. "Aut Caesar aut nihil" ('Entweder Caesar oder Nichts'), Devise des Cesare Borgia (gest. 1507) und Ladislaus von Anjou, König von Neapel (gest. 1414) (Dielitz, S. 27). Johannes Manlius: Loci communes. Frankfurt 1566, Tl. 1, Bl. Eev: über Valentinus, des Bapsts Alexandri son: "Sein Symbolum hatt er mit diesen worten gesprochen: O Caesar, o nulla" (ital. Entsprechung von aut Caesar, aut nihil".
  • doch bleibt er stäts das Haupt seiner Läuß ] Wander: Haupt *69: "Er bleibt stets das Haupt seiner Läuse" (Fischart). Haupt, n. hier 'Oberherr, Vorsteher' (DWB 10, 603: Haupt II,1).

Absatz 3

  • Höralt ] volksetymologische Deutung von Herold, (auch) 'fürstlicher Bote', 'Abgesandter' (DWB 10, 1122-1224); Hinw. Nyssen.
  • Herr Gallet ... für den Furt zu Vede kam ] Garg.: "En celle heure partit le bon homme Gallet, et, passé le gué ..." ("Eben zu dieser selben Stunde brach der gute Herr Gallet auf, und nachdem er die Furt überquert hatte ...").
  • Furt zu Vede ] s. o. Kap. 30, S. 394; Nebenfluss der Vienne, westl. Chinon; von Fischart als Ortsname aufgefasst.
  • was es für ein gestalt ... habe ] Garg.: "de l'estat" ("zum Stand der Dinge").
  • weder Han noch Henn gelassen ] Garg. "laissé ny coq ny geline"; wörtl. Übersetzung der Alliteration.
  • in Clermaltburg geschlagen ] Garg.: "enserrez en La Roche Clermauld" ("sich in La Roche-Clermault verschanzt hätten"; Übers. Hausmann)
  • Clermaltburg ] Garg. "La Roche Clermauld"; s. o. Kap. 31, S. 405 "die Burg Clermaut"; eine französische Gemeinde im Département Indre-et-Loire in der Region Centre-Val de Loire.
  • fortzuziehen ] fortziehen, v. 'weiter, hinaus ziehen' (DWB 4, 40, fortziehen 3).
  • vnauffgeklopfft ] Wander: Nuss 130: "Sie fressen die Nüsse unaufgeklopft" (ohne Nachweis); aufklopfen, v. (Nüsse) 'knacken', (Eier) aufklopfen (DWB 1, 676); s.u. Gkl. Kap. 37, S. 446: "Jch kan sie [die Eier] auch wol rho vngeschelet vnd vnauffgeklopfft essen"; mit dieser Bedeutung nicht im FWB. Vgl. zum Verb Wander: Nuss 101: "Er hat die Nüsse aufgeklopft und ein anderer die Kerne gegessen".
  • Kirsenstein ] Kirschstein, m. 'Kirschkern' (DWB 11, 849); s.o. Gkl., Kap. 16, S. 263: "als wann man mir Kirsenstein ins Andlitz hett geblasen".
  • er kant den Han auff seinem Mist ] Wander: Hahn 224: "Er kennt den Hahn auf seinem Miste" (ohne Nachweis).
  • zu dem Schloß ] Garg.: "à la porte du chasteau" ("zum Schlosstor").
  • pließ ... die Trommet ] Garg.: "avecques la trompette" ("mit der Fanfare"; "mit einem Trompeter", Übers. Hausmann); Trompete, Trommete, f. (DWB 22, 830-836).

417

  • ritt zu der halt vnd begert ] Garg.: "et requist es guardes qu'ilz le feissent parler" ("und begehrte von den Wachen, daß sie ihn ... sprechen ließen"). - Halte, f. 'Ort, wo eine kriegerische Truppe lagert', 'Stellung' (DWB 10, 274).
  • zuparlamentieren ] Garg. "parler .. pour son profit" ("mit ihm zu seinem Vorteil sprechen") - parlamentieren, v. aus mlat. parlamentare, 'Besprechung halten'; hier 'verhandeln, unterhandeln' (DWB 13, 1463); "Man brauchet aber dieses Wort nur, wenn man von Rebellen oder belagerten Städten redet" (Zedler: Universal-Lexicon 26, Sp. 988). Vgl. Parlamentär, m. 'Unterhändler', "entlehnt als Wort der Kriesgsprache um die Wende des 18./19. Jahrh. aus frz. gleichbedeutend parlementaire, das selbst Neuwort ist" (DFWB 2, 355 f.); zu Parlament, n. 'Unterredung, Unterhandlung, Besprechung' (DFWB 2, 351-353).
  • ließ er jhn nicht in die Statt/ sondern hieß jhn vor der Statt auff dem Bollwerck seinen warten ] Garg.: "ne consentit aulcunement qu'on luy ouvrist la porte, mais se transporta sus le bolevard" ("gestattete er keineswegs, daß man ihm das Tor öffne, sondern begab sich selbst auf den Wall", Übers. Hausmann)
  • Bollwerck ] n., 'Wall, Damm', 'Bastei', 'Stadtwall' (DWB 2, 233) - hiervon abgeleitet: Boulevard, Böller; Bolwerk, n. ("aus Bohlen und Erde errichtete Befestigung"), 'Schutzbau gegen Feinde, Schsanze, Befestigung, Verteidigungswerk' (FWB).
  • Da kam er vnnd rüfft jhm ] Garg.: "et dist à l'embassadeur" ("und rief dem Abgesandten zu"; Übers. Hausmann).
  • seinen ] schwacher Gen. des Pers.pron.: 'auf ihn'.
  • Wo scheißt her? ] vgl. Kap.28, S. 378: "den Hasen vmb dz fell schaisen" ("offenbar dem franz. chasser nachgebildet", DWB 14, 2468: scheiszen II 3); vgl. hermachen, v. refl. 'herzugehen, herzueilen' (DWB 10, 1112 f.)
  • Legat ] m., nach lat. legatus, 'Gesandter, Statthalter'; vgl. DFWB 2, 14: Legat 1.

Literatur zu diesem Kapitel:

  • Wendeler (1878b), S. 366 f. (zur Audienz des Kaisers, verlorenes Werk von Fischart).
  • Hauffen (1902), S. 650, Anm. (Vorurteile gegenüber den Spaniern)
  • Dietrich Briesemeister: Spanien aus deutscher Sicht. Deutsch-spanische Kulturbeziehungen gestern und heute. Hrsg. von Harald Wentzlaff-Eggebert. Tübingen 2004, S. 102 f., S. 168. (Rassismus; Vorurteile gegenüber den Spaniern).
  • Dietrich Briesemeister. In: Jahrbuch Preußischer Kulturbesitz 34 (1997), S. 299. (Rassismus; Vorurteile gegenüber den Spaniern).
  • Dietrich Briesemeister. In: Wolfenbütteler Beiträge 4-6 (1981), S. 173. (Rassismus; Vorurteile gegenüber den Spaniern).
  • Arturo Farinelli: Marrano (Storia di un vituperio). Geneve: Olschki 1925, S. 59, Anm. (Vorurteile gegenüber den Spaniern).
  • Gerke (1953) (zu den Sprichwörtern).
  • Bulang (2010a), S. 54 f. (narrative Funktionalisierung von Sprichwörtern).

Mitarbeit an diesem Kapitel:

Vilma Klingaite, Melanie Vahland (August 2017); Ulrich Seelbach (November 2017).