Gkl:kommentar:kap18

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Das Achtzehend Capitel

Zusammenfassung

Grandgousier bemerkt kaum Fortschritte in der Bildung seines Sohnes und berät sich mit Philippe de Marais, der die bisherigen Lehrer und Lehrbücher für ungeeignet hält. Er empfiehlt ein Studium zur besseren Ausbildung der Urteilskraft und Beredsamkeit. Zum Beweis der Überlegenheit moderner Ausbildung lässt er den zwölf Jahre alten Schüler Eudemon eine rhetorisch musterhafte Lobrede auf Gargantua halten. Grandgousier schickt Meister Jobelin zum Teufel und stellt als Erzieher Ponokrates ein, der auch Eudemon ausgebildet hatte.

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  • Leyst ] Leist, m., Fußform des Schusters;[1] über einen andern Leist richten: eine andere Lehrmethode anwenden.

Absatz 1

  • Filius ] m., lat. 'Sohn'.
  • erwinden ] v., 'unterlassen, fehlen, ermangeln'.[2]
  • vnnd kein stund hinschleichen ließ/ darinn er nit ein Lini zog - "Nulla dies sine linea" (lat. Sprichwort nach dem Maler Apelles und Kaiser Titus). Bezeugt von Plinius: "Apelli fuit alioqui perpetua consuetudo numquam tam occupatum diem agendi, ut non lineam ducendo exerceret artem, quod ab eo in proverbium venit." / "Apelles übrigens hatte es sich zur beständigen Aufgabe gemacht, niemals, auch wenn er noch so beschäftigt war, einen Tag vergehen zu lassen, ohne durch Ziehen einer Linie sein Können zu üben, was durch ihn zum Sprichwort wurde." (Plin. nat. XXXV,84; Übers. R. König).
  • Rastro - Rastrum ein Instrument, "womit die fünf, (oder in Lauten und Violdigambensachen) sechs Parallellinien zugleich aufs Papier gezogen werden." (Zedler 30, 468).
  • fortstieg ] fortsteigen, 'voran, vorwärts kommen'.[3]
  • Eselsohr ] Eselsohr, "der pl. eselsohren dient für mehrere pflanzen: arum maculatum, lathyrus latifol., symphytum officinale" (DWB 3, 1554: Eselsohr 4). Unter den 17 Pflanzen bei Marzell (s. Register, 112), die auch die Benennung "Eselsohr" erhalten haben, sind nur zwei auch überregional mit diesem Namen bekannt: Symphytum officinale/Beinwell (Marzell 4, 536-544) und Stachys lanata/Woll-Ziest (Marzell 4, 466-467). Letztere Pflanze trägt den Namen Eselsohr allerdings nur im Norddeutschen Raum. Am ehesten kommt daher Symphytum officinale in Betracht, das als Heilplanze gezogen wurde (auch frz. Oreille d'âne).
  • Negelinhafen ] (nicht im DWB 13, 264-265, s.v. Nägelein, n.) Topf, in dem man Gartennelken (Dianthus) zieht.
  • Stockfisch ] "ein dummer, auch steifer, ungelenker mensch" (DWB 19, 94: Stockfisch, m. 4 b alpha).
  • Plateisel ] Platteise, f., 'Scholle';[4] Stockfisch und Platteisel werden oft zusammen genannt; s. Kap. 7, S. 150 f.: Platteiselengesäß.
  • Fantasten ] Fantast, m. 'Fanaticus, Schwärmer, Narr'.[5]
  • Dom Philippo von Marach/ Vicekönig inn Papeligosse ] Garg.: "don Philippe des Marays, Viceroi de Papelygosse"; vgl. Marais, Stadteil von Paris (seit dem 14. Jh.), nach frz. marais, 'Morast, Sumpf'.
  • Marach ] lat. Marochium, Marokko.
  • schier ] adv. 'beinahe, fast'.[6]
  • Fretter ] m., "Schinder, zumal Lehrer, die die Kinder quälen, Pfuscher" (DWB 4, 140); s. auch Reimvorrede, S. 2, V. 2: frett.
  • Kuntzenwerck ] Kunzenwerk n.: "spiegelfechterei, ... von pedantischem unterrichte, der nichts wirkt" (mit Berufung auf diese Stelle DWB 11, 2755).
  • Kühdunst ] im DWB 11, 2553 nur diese Stelle, "wol zu dunst 2, blähung, vapeur": vgl. FWB s.v. ku, hier kudampf, 'Ausdünstung der Kühe im Stall' und ElsWB 2, 685b f., s.v. Dampf: Kühdampf.
  • Schmeißheit ] zu Schmeiß, m. 'Schlag mit dem Stock, Rutenstreich' oder 'Dreck, Vogelkot' (DWB 15, 998); vgl. DWB 15, 1009, Schmeißheit, f. (diese Stelle), "komische bildung als reimwort".
  • Lugheit ] Abstraktum zu Lug, 'Lüge, Betrug' (nicht im DWB 12, 1266 s.v. Lug).
  • mit den Winderhändschuhen schrecken ] vgl. DWB 30, 445 s.v. Winterhandschuh, m., mit dieser Stelle; EXPERTENRAT (Volkskunde).
  • verbastarten ] v., 'zum Bastard machen, verderben', vgl. DWB 25, 96, mit dieser Stelle
  • Blühe ] f., 'Blüte', DWB 2, 154 s.v. Blüh (mit dieser Stelle).
  • der flor defloriren ] zu lat. flos,-ris, Blüte; 'der Blüte berauben'.
  • erfrören ] v., 'erfrieren machen'.[7]

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  • Daß ihm also ] 'dass solches zutrifft, dass es sich so verhält'.
  • Gesprechlichkeit ] f., 'Redegewandtheit'.[8]
  • Zuberclausische zufäll ] DWB 32, 245, s.v. zuberklausisch, adj., nur diese Stelle, ohne Erklärung; vgl. DWB 32, 342 s.v. Zufall 2 b, 'Einfall'; Garg.: propos, 'Gesprächsthemen, 'Äußerungen'; gemeint ist die rhetorische Inventio; "Wortsp. mit lat. super adv.: über, darüber; -clausische vielleicht zu Clausion f.: Schluß, Urteil, Bescheid" (Nyssen).
  • in eim Item, als ... inn vielen summarum ] 'in einem Punkt, in Wenigem' (nicht im DWB 10, 2180 s.v. item) bzw. 'in vielen Dingen, auf's Ganze gesehen'? Vgl. Johann Jacob von und zu Weingarten: Richter-Spiegel. Prag 1682, Cap. III. Von der Weißheit und Weisen Richter, S. 113: „Ein Gelährter weiß mehr in einem Item, dann der andere in summa summarum.“ S. auch Wander, (der) Gescheite 4; dieses Sprichwort könnte allerdings auf der vorliegenden Stelle der Gkl. beruhen - EXPERTENRAT (Latinistik).
  • baßgeberdiger ] Steigerung zu wolgebärdig, 'moderat', von guten Manieren; s. DWB 4, 1738 s.v. geberdig, adj.
  • Mechelburgischer Schunckenmadenfresser ] Mecklenburgischer Schinken-Maden-Fresser, Garg. "un taillebacon de la Brenne" ('Speckmetzger aus der Brenne').
  • Speckhecker ] Speckhöker, -verkäufer; s. DWB 16, 2044 s.v. Speckhöcker; s. Parat, S. 34: Speckhecker.
  • Engern ] Teil des Stammesherzogtums Sachsen, beiderseits der Weser.
  • geful ] Nf. des Prät. von gefallen.

Absatz 2

  • der von Marias ] Variante: Marais (AB), s. o. 276 Dom Philippo von Marach.
  • Gongewiler ] (Garg.: Villegongys) - Fischart ersetzt frz. ville durch das elsässische -wiler (Weiler, Dorf). Ortschaft in der Nähe von Châteauroux, Departement Indre.
  • Eudemon Wolbegeist ] nach dem gr. εὐδαιμων, 'glücklich, glückselig'. Das Kompositum aus gr. εὐ, 'gut, wohl, gehörig' und δαίμων, 'Gott', 'Geist', 'Schicksal' wird von Fischart auf vielfältige Weise variiert: S. 293 u. S. 454: "Wolbeigeist"; S. 459 "Gotthart Wolbeikopff"; S. 456: "Gutart"; S. 279: "Eudemons Gutgeists"; S. 302: "Wolgeart"; S. 479, 490, 493, 502, 532: "Artsichwol"; S. 355: "Wolbeiart".
  • Bossenschicklich ] adj., nur diese Stelle im DWB 2, 266, paraphrasiert mit 'jocosus, lepidus' (scherzhaft, witzig); gemeint ist die Urbanitas, gewitzte Anmut.
  • abgestäubet ] abstäuben, verb. 'blank wischen', 'aus- oder abklopfen'.[9]
  • Fron Altar ] 'altare majus, ara domini', Hauptaltar der Kirche.[10]

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  • vnderstehen ] unterstehen, verb. 'unternehmen', 'anstellen';[11] s. Kap. 2, S. 54: "vnterstan".
  • Matheologischen Künsthümplern ] (Garg.: matéologiens) - nach gr. ματαιολόγος, vaniloquium, eitles, leeres Geschwätz; Künsthümpler, 'Halbgelehrter, Pfuscher in den Künsten, Wissenschaften' (DWB 11, 2703, nur diese Stelle); vgl. auch das geläufige Humpler, Hümpler, m. 'Stümper, Pfuscher' (DWB 10, 1909-1920 s.v. Humpler). "Matéologiens" wird erklärt aus mataiologos (gr.) und theologien (frz.) (Lefranc I,15,15; Steinsieck zu 57,14). - Vgl. die Marginalie bei Erasmus: Adagia III,3,1 (S. 539b): "Sileni praeposteri. Mataeologi." - Defaux 190,5 zitiert aus Erasmus (ohne Angabe der benutzten Ausgabe und des Titels der zitierten Schrift) "Opera omnia, V, 926 D: "[...] mataeologia non multum abest a Theologia [...]"; id est: Opera omnia. Amsterdam 1969 ff., Tom. VI (Annotationes), col. 926; vgl. Fernand Hallyn: Copernic et Erasme. In: Humanistica Lovaniensia 49 (2000), S. 89-100, hier der Abschnitt: ματαιολόγοι, S. 96 f.
  • Fantasten ] s. o. 276
  • geful ] s. o. 277
  • stätt ] adj. 'beständig, unbewegt'.[12]

278

  • verwendt ] verwenden, v. 'wegbewegen,entfernen'.[13]
  • Storcken ] Störche.

Absatz 3

  • Bossen ] Posse, m. hier 'Possenspiel', 'Komödie'.[14]
  • geschickt ] sich in etw. schicken, sich 'vorbereiten' auf etw., sich 'fügen'.[15]
  • außbalierten ] part. adj., 'auspoliert, verfeinert' (vgl. DWB 1, 1088 s.v. balieren u. DWB 13, 1977 s.v. polieren); FWB s.v. auspalieren, v., etwas schleifen, glätten, putzen, auf Hochglanz bringen (mit Belegen vor Fischart).
  • dienstlich ] adj. 'diensteifrig'.[16]
  • dz er sich eher einem Gracho/ einem Cicero ... het mögen vergleichen - Garg. 1559, S. 61: "que mieux ressembloit vn Graccus, vn Ciceron, ou vn Emilius"; Tiberius Sempronius Gracchus (162-133) (und Lucius Aemilius Paulus, 227-160 v. Chr., den Fischart durch andere Rednerexempel ersetzt) werden von Marcus Tullius Cicero (106-43), Brut. XX,79; XXVII,103 (bzw. XX,80) als gute Redner bezeichnet (Lebensdaten u. Identifizierungen bei Steinsieck zu 57,35; Hinw. Lefranc I,15,24 u. 25).
  • Oratori ] orator, lat. Redner.
  • Sadoleto ] Jacopo Sadoleto (1477-1547); Mehrere Einzeldrucke von Reden (Anf. 16. Jh.). - Orationes duae, altera Iacobi Sadoleti, altera Io. Baptistae Campegii. Venetiis: Aldus 1561. (Drucke anderer Werke in Straßburg; vgl. Chrisman, Register).
  • Bembo ] Bembo, Pietro (1470-1547), hier als vobildhafter Redner: Petrus Patricius Bembus: Epistolae omnes quotquot extant, latinae puritatis studiosis ad imitandum utilissimae. Basel 1567; Prose di Monsignor Bembo. Venedig 1547; Opera. Basel 1556.
  • Longolio ] Christophorus Longolius (Christophe de Longueil (1490–1522); vgl. Geßner 1583, S. 145: "Christophorus Longolius, Parisiensis ... Epistolae lib. 4 excußi Basileae 1540. cum Petri Bembi, Ia. Sadoleti, Guil. Budaei, Erasmi, sepistolarum ad eundem Longolium lib. I. Adiecta etiam vita Longolij ... & Lugd. apud Gryphium cum 3. eiusdem Longolij orationibus. Oratio ad Lutheranos damnatos ... excusa Colon. apud Gym. 1529." - Orationes duae pro difensione sua (und andere Werke). Florenz 1524. - Nyssen 209,36 nennt Gilbert Longolius (Gijsbert van Langerack, 1507–1543).
  • Mureto ] Marc Antoine de Muret (1526-1585): Orationes XXIII. Venetiis 1575 - zahlreiche Einzeldrucke von Reden.
  • Knabatzen ] "eine merkwürdige erweiterung von knabe" (DWB 11, 1310); s. Kap. 4, S. 93: Knabatzen.
  • greinet ] greinen, v. 'weinen, brüllen'.[17]

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  • sieche ] siech, 'krank'.
  • einiges ] 'einziges'.

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Absatz 4

  • Meister Jobelin ] s. Kap. 17.
  • oder auffs gelindest mit jm zufahren ] 'oder auf sehr sanfte Art (zum Mindesten) mit ihm verfahren'.
  • jn von den Schulknaben lassen mit Ruten ausstreichen/ wie die Römer dem Schulmeister thaten/ der die vnschuldige Jugend inn der Belägerung wolt dem Feind verrhaten ] nach Hauffen (1908), 279 aus dem Prolog (dort nicht alle Informationen enthalten, z.B. fehlt "Und hawen in daher mit ruten", 236,4) zur "Comedi ... von dem ehrenvesten hauptmann Camillo mit dem untrewen schulmeister in der statt Valisco" von Hans Sachs. In: Hans Sachs. Hrsg. von Adelbert von Keller. Bd. 12. Stuttgart 1879, S. 227-240: Araso, der falsche Schulmeister, führt die Kinder reicher Bürger der belagerten Stadt Valisco zu dem Belagerer Hauptmann Camillus, der aber darauf verzichtet, durch unredliche Mittel die Stadt zu gewinnen (von Sachs angegebene Quellen: Titus Livius und Plutarch [hier: Camillus 10, Belagerung von Falerii]). - Entspricht Titus Livius: Ab urbe condita V, 25,3-27,10 (dort alle nötigen Informationen enthalten; ebenso bei Plutarch und auch bei Kirchhof: Wendunmuth I,18: Von dem ritterlichen heerführer Camillo).
  • Sintemal ] Konj. 'weil'.
  • Policei ] f., 'Regierung, Ordnung, Regiment' einer Stadt, Regeln der Obrigkeit.[18]
  • auff die Fleischbanck opffert ] zur Schlachtbank führt (DWB 3, 1755-1756 s.v. Fleischbank).
  • der von Marais ] s. o. 276 u. 277.
  • fürbildend ] fürbilden, v. 'vor Augen stellen'.[19]
  • Murmelthier ] 'verschlafene Person'.[20]
  • werff jhnen den Sack für die Thür ] 'den Sack vor die Tür werfen', den Reisesack mit den Habseligkeiten vor die Türe stellen, vgl. den Sack geben, jdn. 'fortjagen' (DWB 14, 1614 f. s.v. Sack 6, mit dieser Stelle).
  • stampen ] 'einen stampen machen', 'fortschicken,wegjagen' (DWB 17, 680 s.v. stampfen 6, mit dieser Stelle).

Absatz 5

  • Tropffen ] Tropf, 'Dummkopf, Stümper'.[21]
  • Sophistisch Trüncklein ] 'einem Sophisten angemessenen (Abschieds-)Trunk'; vgl. DWB 16, 1753 s.v. sophistisch, adj. u. DWB 22, 1402 Trünklein, n.
  • gecapaunenpfropfft ] gepfropft: vollgestopft, ausgefüllt, abgefüllt (DWB 13, 1796 f., s.v. propfen 2); die Kapaunen werden nach erfolgter Kastration "drey Tage fleissig gefüttert" (Zedler 5, 680: Cappaun).
  • voll wie ein Engelländische Zeck ] (Garg.: "ainsi saoul comme un Anglais"); vgl. DWB 31, 436 f., s.v. Zecke, f., mit dieser Stelle (unerklärt); Defaux 192,11 verweist auf Erasmus: Adagia II,2,68: "Tam satur est quam Anglus".
  • berhatschlug ] starkes Prät. (DWB 1, 1488, berathschlagen, v., mit dieser Stelle).

/ Absatz 6

  • Preceptor ] lat. Lehrer; s. Kap. 8, S. 141: Preceptors.
  • Ehrenbrecht Kundlob von Arbeitsteig/ sonst genant Ponocrates ] gr. Πονoκράτης, gebildet aus πóνος und κράτοϛ, 'Mühsal, Arbeit' u. 'Kraft, Stärke'.
  • erwöhnten ] 'erwähnten'.
  • Eudemon Gutgeists ] s. o. 277 (Eudemon Wolbegeist)
  • Schlapphaubige ] DWB 15, 491 (nur diese Stelle), adj. zu Schlapphaube, f., aus weichem Stoff gefertigte Kopfbedeckung.[22]
  • cape tibi asinum vnd Calamarius am gürtel ] capere, lat. 'nehmen', 'einfangen' (von Tieren); ‚fang dir einen Esel ein' (?); vgl. ‘Spengler, S. 246: "nimm dir einen Esel und Federbüchse/ zu calamus = Schreibrohr gehörig"; calamar, n.; vgl. Kap. 17, S. 270; "zu lat. calamarius, m.; Federbüchse, Pennal" (Nyssen); nach Georges: Handwb.: „zum Schreibohr gehörig, theca, Federbüchse, Pennal“; Calamare id est pennale, "ain schribzüg" (Ex quo, C 13, Bd. 2, S. 379). Vgl. Kap. 8, S. 186: "Es gilt Capias tibi asine", 'Nun habe dir das, du Esel', 'Greif dir selbst an die Ohren, Esel' (Seelbach: Ludus 2000, 482); Nyssen 139,27: "lat. fasse, dich, Esel". - EXPERTENRAT (Latinistik).


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  • Lectoriabrillen ] Zus.setzung aus lat. lector und abrill, NF von April? - EXPERTENRAT (Latinistik).
  • die mit sonderm Namen getrente Heyligen ] EXPERTENRAT (Theologie).
  • Zuchtgleißnende ] vgl. gleißnen, v. 'sich verstellen, heucheln'[23] und Zucht, f. 'Erziehung';[24] vgl. Fischarts Satire Wunderlichst unerhörtest Legend ... des Vierhörnigen Hütleins (1580), V. 863 f.: „Die Jugend vmbsonst wöllen lehren/ | Vnd sie doch Theur genueg verkehren“.
  • Farreseychische ] Wortsp. mit pharisäisch (Nyssen); zu Farre, m. 'Stier'[25] und seichen, 'Harn lassen, urinieren';[26] vgl. Wunderlichst unerhörtest Legend, V. 871 f. "Jm Schein Eusserlich Phariseisch/ | Jm Hertzen heymlich Saduceisch".
  • Quadricornuten ] die Kopfbedeckung der Jesuiten hatte vier Spitzen, hier als Hörner gedeutet - EXPERTENRAT (Theologie/Latinistik.
  • Augensperrigen ] 'die Augen weit aufsperrend' (DWB 1, 812, mit dieser Stelle).
  • frefeln ] frevel, adj. 'frech, vermessen'.[27]
  • Verrhetschern ] (Ausg. b: verrätschern) - Verrätscher, m. 'Angeber, Denunziant'.[28]
  • Lockvögeln ] Lockvogel, m. 'einer der andere verlockt, vom Wege führt'.[29]
  • Duckmäusern ] Duckmäuser,m. 'hinterlistiger, betrügerischer Mensch'.[30]
  • Ertzarchibuben ] vgl. Erzbube, m. (DWB 3, 1081), 'ausgesuchter Bösewicht', wie archidux, Erzherzog, archiepiscopus, Erzbischof.
  • Grandmulier ] (Garg.: Grandgousier) - mit alemann. mul, 'Maul' gedeutet (Nyssen, S. 17).
  • Lehrweiser ] m. 'Unterweiser in einer Lehre', Pädagoge.[31]

/ 210

  • Lockhund ] (Lesart B: Lobkund) - Verballhornung von Kundlob Ponocrates; s. o. 279.
  • Ordinarylehren ] lectio ordinaria, hier regulärer Unterricht.
  • mag er vermög der Gulden Bull dises Punctens halben wol Keyser werden ] (wenn er vier Sprachen spricht) - Gesetz Kaiser Karls IV. in lat. u. dt. Fassung, hier Tl. 2 der Goldenen Bulle, die Metzer Gesetze, XXXI: es wird für ersprießlich erachtet, daß die Kurfürsten (deren Muttersprache Deutsch ist) in der Eigenart verschiedener Sprachen und Zungen unterwiesen werden, damit sie mehr Leute verstehen und von mehr Leuten verstanden werden, ihre Söhne sollen in der lateinischen, italienischen und tschechischen Sprache unterrichtet werden (aus dem Kreise der Kurfürsten gehen auch die zukünftigen Kaiser hervor). - Goldene Bulle. 1474 u.ö. - ab 1508 regelmäßig im 'Corpus recessuum' (Reichstagabschiede) an erster Stelle gedruckt.
  • lehre für volle ] "zu ergänzen: Eimer" (Nyssen).
  • Dann das Glück ist rund/ eim lauffts inn Arß/ dem andern in Mund ] vgl. Eberhard Tappe: Germanicorum Adagiorum cum latinis ac graecis collatorum, Centuriae septem. Argentorati: Rihel [1545], Bl. 28v (I,9,7: Fortuna aestuaria): "Hoc dicto non est aliud hodie decantatius uulgo, Das glück ist rund/ dem einen laufft es in den arß/ dem anderen in den mund." (Hinweis auf den Buchtitel: Hauffen 1908, S. 281); vgl. Wander, Glück 122.

Nachweise

  1. DWB 12, 721, leist, m. 4
  2. DWB 3, 1066, erwinden 4 b
  3. DWB 4, 34: 'progredi'
  4. DWB 13, 1909 f.
  5. DWB 3, 1319-1321
  6. DWB 15, 23, schier, adj. II, 2
  7. DWB 3, 810
  8. DWB 5, 4165, s.v. Gesprächlichkeit, mit dieser Stelle
  9. DWB 1, 126
  10. DWB 4, 233 s.v. Frohnaltar
  11. DWB 24, 1826, s.v. II,1,c
  12. DWB 18, 2545 s.v. stet[2]
  13. DWB 25, 2205
  14. DWB 13, 2013
  15. DWB 14, 2469 schicken, v. 2
  16. DWB 2, 1127
  17. DWB 9, 53-67, greinen I, B
  18. DWB 13, 1981
  19. DWB 4, 665
  20. DWB 12, 2722
  21. DWB 22, 855 s.v. Tropf, 1 b
  22. DWB 15, 490
  23. DWB 7, 8307-8309
  24. DWB 32, 260-263 s.v. Zucht III
  25. DWB 3, 1333 f.
  26. DWB 16, 168 f.
  27. DWB 4, 171-173
  28. DWB 25, 993, mit dieser Stelle
  29. DWB 12, 1115, mit dieser Stelle
  30. DWB 2, 1495 f.
  31. DWB 12, 579